Ukraine:"Ich bedaure die Verwendung des Wortes Sozialtourismus"

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"Vielleicht hat der da wirklich eine Fehlhaltung" - Friedrich Merz im Bundestag. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

CDU-Chef Friedrich Merz muss sich für eine Aussage über Flüchtlinge aus der Ukraine entschuldigen. Nicht nur Innenministerin Faeser fand sie "schäbig".

Von Markus Balser, Berlin

Dass Friedrich Merz mit dem Interview in die Offensive kommen wollte, darauf deuteten schon die ersten Antworten hin. Wenn die Bürger nur ein wenig Ahnung davon gehabt hätten, wie sie derzeit regiert würden, wäre das Wahlergebnis vor einem Jahr anders ausgegangen, polterte Merz in einem am Montagabend veröffentlichten Interview mit Bild-TV. Dass der Versuch gründlich schiefging, dafür sorgte dann eine Antwort zur Flüchtlingspolitik. Denn Merz unterstellte darin Flüchtenden aus der Ukraine "Sozialtourismus".

Er verwies dabei auf die Entscheidung der Bundesregierung vom Frühjahr, ukrainische Flüchtlinge aus dem Asylbewerbersystem zu nehmen und ihnen Anspruch auf Sozialleistungen zu gewähren. Dies führe "zu erheblichen Verwerfungen", behauptete Merz. "Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine." Von den Flüchtlingen mache sich "mittlerweile eine größere Zahl dieses System zunutze".

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In der Bundesregierung löste die Wortwahl des Oppositionsführers im Bundestag Empörung aus. "Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind, ist schäbig", kritisierte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bei Twitter scharf und schrieb weiter: "'Sozialtourismus' war 2013 das Unwort des Jahres - und ist auch 2022 jedes Demokraten unwürdig."

"Das kennen wir bislang nur von der AfD"

Auch die Fraktionen der Ampelkoalition rechneten mit Merz ab. "Ich habe geflüchtete Frauen und Kinder getroffen, die teilweise unter Lebensgefahr zurück in die Ukraine fahren, um ihre Ehemänner oder Väter wiederzusehen", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr und nannte die Äußerungen "absolut deplatziert. Dass ausgerechnet der Vorsitzende der Christdemokraten diesen Menschen Sozialtourismus unterstellt, kann ich nicht nachvollziehen." Merz wolle bewusst einen politischen Kulturkampf vom Zaun brechen und mit immer neuen Grenzverschiebungen den Diskurs nach rechts verschieben", kritisierte die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast. "Das kennen wir bislang nur von der AfD."

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Am Vormittag ruderte Merz dann schließlich zurück und entschuldigte sich für seine Wortwahl. "Ich bedaure die Verwendung des Wortes 'Sozialtourismus'. Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems", erklärte er. Sein Hinweis habe einer mangelnden Registrierung der Flüchtlinge gegolten. "Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung." Selbst in der eigenen Partei hatte Merz da schon keine Verteidiger mehr. Es lägen ihm zu dem angeblichen Phänomen "keine entsprechenden Zahlen vor", sagte Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag.

Merz hätte mit heftigen Reaktionen rechnen können. Die "Unwort"-Jury einiger Sprachwissenschaftler hatte das Wort "Sozialtourismus" 2013 mit der Begründung zum Unwort des Jahres bestimmt, es diskriminiere ausgerechnet solche Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen. Und es verschleiere ihr prinzipielles Recht dazu.

Einzig die AfD lobte den Vorstoß von Merz. Er habe ein "sehr wichtiges Thema angestoßen", sagte die Partei- und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel in Berlin. Die AfD sei dafür, ukrainische Flüchtlinge nicht besser zu stellen als andere.

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