Helmut Schmidt und Rainer Barzel:Knurrig-herzliche, frotzelnde Freunde

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80. Geburtstag von Rainer Barzel (re.), Altbundeskanzler Helmut Schmidt und Frau Loki sind unter den Gästen. (Foto: dpa/dpaweb)

Der kühle Hanseat Helmut Schmidt und der rheinisch sozialisierte Rainer Barzel kamen aus unterschiedlichen Parteien und waren Rivalen. Dennoch verband sie viel. Und sie wussten, was sie aneinander hatten.

Von Heribert Prantl

Es gibt keine Freundschaften in der Politik? Falsch, es gibt sie. Es gibt sie über Parteigrenzen hinweg, es gibt sie zwischen Leuten, die zuvor politische Gegner waren. Eine der schönsten, innigsten Freundschaften unter Politikern war die zwischen Helmut Schmidt und Rainer Barzel.

Barzel war vor Helmut Kohl Chef der CDU, und er wäre 1972 beinahe Bundeskanzler geworden - aber das Misstrauensvotum der Union gegen Willy Brandt scheiterte überraschend.

Nicht Barzel wurde Nachfolger von Brandt, Nachfolger von Brandt wurde nach dessen Rücktritt 1974 Helmut Schmidt. Aber auf die Frage, wie er, Barzel, das Land regiert haben würde, wenn er Kanzler geworden wäre, erwiderte er: "Wie er" - wie Schmidt also. Kann man etwas Schöneres über einen sagen, der zur konkurrierenden Partei gehört?

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Wie er. Schmidt war fast sechs Jahre älter als Barzel. Zueinander gefunden hatten die beiden in der Großen Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und Vizekanzler Willy Brandt von 1966 bis 1969. Diese erste Große Koalition war eine Koalition der großen und legendären Namen - da waren als Minister Herbert Wehner, Franz Josef Strauß, Karl Schiller, Gustav Heinemann, Georg Leber, Carlo Schmid.

Aber in ihrem Kern, dort wo sie funktionierte, war sie "eigentlich eine Regierung Barzel/Schmidt", schrieb Karl Feldmeyer in der FAZ. Die beiden waren als Fraktionsvorsitzende ihrer Parteien Manager der Großen Koalition. Sie lernten sich respektieren, sie lernten sich schätzen. Der eine wusste, was er an dem anderen hatte - Verlässlichkeit.

"Barsch befohlen, gesund zu werden"

Aus der Verlässlichkeit wurde knurrig-herzliche Freundschaft. Hier der kühle und schnoddrige Hanseat Schmidt, da der in Ostpreußen geborene, aber rheinisch sozialisierte Barzel, der seine späten Jahre in Bayern verbrachte; man wäre nie auf die Idee gekommen, die beiden könnten einander zugetan sein - wenn man es nicht selbst erlebt hätte.

Als Rainer Barzel im Jahr 2004 in der Münchner Akademie der Künste seinen achtzigsten Geburtstag feierte, war es nicht Angela Merkel, die Nach-Nachfolgerin Barzels als Partei- und Fraktionschefin, die die Geburtstagsrede hielt. Es war auch nicht Helmut Kohl, der Rivale und Nachfolger Barzels; es war Helmut Schmidt, der wunderbar liebenswürdig, ganz zärtlich frotzelnd und respektvoll rühmend einen Geburtstagskranz flocht.

Und Barzel erinnerte sich dann in seiner Dankesrede daran, wie ihm der Freund in schwerer Krankheit "barsch befohlen hat, wieder gesund zu werden". Auf dem Geburtstagsfoto sieht man die beiden kichernd den Kopf zusammenstrecken - und dazwischen lacht Helmut Schmidts Ehefrau Loki.

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© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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