Parität:Die Gleichberechtigung von Frauen gehört ins Herz der Demokratie

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Landtagsitzung in Potsdam. (Foto: dpa)

In Brandenburg sollen Parteienlisten künftig zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzt werden. Kritiker sehen die Freiheit eingeschränkt, aber diese Gefahr ist überschaubar.

Kommentar von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Diejenigen, die von einem System der Ungleichheit profitieren, haben schon immer die Freiheit ins Feld geführt, um ihre Privilegien zu verteidigen. Das freie Mandat, die Parteienfreiheit, die Freiheit der Wähler: All dies wird nun gegen Gesetzgebungsvorhaben vorgebracht, die einen demokratischen Missstand beheben wollen, nämlich die Unterrepräsentanz von Frauen in den Parlamenten. Dieser Zustand hat sich verfestigt, so scheint es, auch hundert Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts geht es nicht so recht voran. Im Bundestag ist nur etwa ein Drittel der Abgeordneten weiblich, in den Landesparlamenten ist ebenfalls noch viel Luft nach oben. Wenn aber gleiche Rechte nicht helfen, um faktische Gleichberechtigung herzustellen - dann kann der Staat die "tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung" fördern, wie es nun das Land Brandenburg mit seinem Paritätsgesetz getan hat. Das ist kein linker Slogan, sondern Originalton des Grundgesetzes.

Deshalb ist die Behauptung der Kritiker Unsinn, ein Paritätsgesetz sei der Einstieg in eine parlamentarische Gruppenrepräsentanz, in der Zuwanderer, Senioren und Tierschützer ihre je eigene Abgeordnetengruppe entsenden. Schon richtig, es gilt, jeder Zersplitterung des Parlaments vorzubeugen, zumal in einer Zeit, in der Gruppeninteressen in der Gesellschaft lautstark vertreten werden. Die gewählten Parlamentarier sind für das große Ganze zuständig, für das Wohl aller und nicht für die Interessen Einzelner. Aber das gilt für Parlamentarierinnen gleichermaßen - sie vertreten ja keine Klientel: Grünen-Politikerinnen sprechen häufiger für Grünen-Wähler als für FDP-Wählerinnen.

Trotzdem darf man die Argumente der Kritiker nicht leichtfertig vom Tisch wischen. Die Parteienfreiheit ist ein hohes Gut. Die Parteien kanalisieren die Meinungsströme, formulieren Positionen - und rekrutieren das politische Personal. Das wird oft als Postengeschacher abgetan; in Wahrheit bestimmt die Auswahl kluger Repräsentanten für die Parlamente den Wesenskern der repräsentativen Demokratie. Die Parteien dürfen hier nicht ohne Not beschränkt werden. Ähnliches gilt für das Wahlrecht der Bürger, das nicht dadurch eingeengt werden darf, dass ihnen nur ganz bestimmte Kandidaten oder eben Kandidatinnen vor die Nase gesetzt werden.

Der Freiheitsverlust in Brandenburg ist moderat

Schaut man sich freilich das brandenburgische Gesetz an, dann fällt der Freiheitsverlust moderat aus. Richtig, Wählerinnen und Wähler haben es fortan mit paritätisch besetzten Parteienlisten zu tun. Aber Listen gibt es schon jetzt, und wer eine Partei wählt, der wählt auch Kandidaten, die er nicht mag. Künftig stehen eben mehr Frauen auf der Liste. Und aus den Direktmandaten hat sich die rot-rote Koalition in Brandenburg ohnehin herausgehalten.

Bleibt der Eingriff in die Parteienfreiheit. Wie schwer er wiegt, ist eine Wertungsfrage. Parteienfreiheit gilt nicht absolut, sondern muss mit anderen Vorgaben der Verfassung austariert werden. Dazu gehört eben auch der Auftrag zur Förderung der Gleichberechtigung, der übrigens auch in der brandenburgischen Verfassung steht. Wenn aber die aktive Gleichstellungspolitik ein Verfassungsauftrag ist, der gleiche Rechte bei ungleichen Chancen nicht länger tatenlos hinnimmt, dann liegt es doch nahe, damit ganz oben anzufangen - in den Parlamenten, wo die Gesetze gemacht werden. Damit würde die Gleichberechtigung ins Herz der Demokratie implantiert. Der Rest ist juristisches Handwerk. Man benötigt vorsichtige Gesetze ohne starre Parlamentsquoten, die Freiheit und Förderung in Einklang bringen. Der Erfolg der "Parité" mag sich damit nicht sofort einstellen. Aber er wird kommen.

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