Frankreich:Linksbündnis fast gleichauf mit Macron-Lager

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Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte treffen vor dem Wahllokal ein, um ihre Stimmen in der ersten Runde der französischen Parlamentswahl abzugeben. (Foto: Ludovic Marin/dpa)

In Runde eins der Parlamentswahl bekommen sowohl das Bündnis des Präsidenten als auch die Allianz des linken Jean-Luc Mélenchon knapp 26 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung sinkt auf ein Rekordtief.

Von Nadia Pantel, Paris

Es ist ein Wahlabend, an dem keine Partei wirklich triumphieren kann: Die Mehrheit der Franzosen ist am Sonntag lieber zu Hause geblieben als ins Wahlbüro zu gehen. Bei der ersten Runde der Parlamentswahlen sank die Wahlbeteiligung auf ein Rekordtief von 47,5 Prozent. Das sind knapp zwei Prozentpunkte weniger als 2017 und liegt weit unter den etwa 70 Prozent Wahlbeteiligung in den Neunzigerjahren.

In dieser von wenig Enthusiasmus geprägten Wahl kann die linke Allianz ein gutes Ergebnis erzielen. Nach dem vorläufigen Ergebnis kommt die Nouvelle Union populaire écologique et sociale (Nupes) auf knapp 25,7 Prozent der Stimmen. Sie ist ein Zusammenschluss von La France insoumise von Jean-Luc Mélenchon, der Parti Socialiste, den Kommunisten und den französischen Grünen Europe Écologie-Les Verts. Mélenchon sagte am Sonntagabend Kandidaten der Nupes-Allianz hätten es in 500 der 577 Wahlkreisen in die Stichwahl geschafft.

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Dagegen sei das Parteienbündnis des erst im Mai wiedergewählten Präsidenten Emmanuel Macron "geschlagen und besiegt", sagte Mélenchon. "Zum ersten Mal in der Fünften Republik gelang es einem frisch gewählten Präsidenten nicht, eine absolute Mehrheit zu erlangen", sagt Mélenchon.

Zwar stimmt es, dass Macrons Allianz Ensemble im Vergleich zum Wahlerfolg bei der Parlamentswahl 2017 eine heftige Stimmeneinbuße von sieben Prozentpunkten erlebt und mit 25,8 Prozent nur knapp vor Nupes landet, der Vorsprung des Macron-Lagers beträgt gerade einmal gut 21 000 Stimmen. Die endgültige Zusammensetzung des Parlaments wird sich jedoch erst in der kommenden Woche entscheiden, wenn die Franzosen in einem zweiten Wahlgang abstimmen. Die Parlamentswahl erfolgt in Frankreich, genau wie die Präsidentschaftswahl, in zwei Durchgängen nach dem Mehrheitswahlrecht. In der ersten Runde konnten nur zwei der 577 Sitze direkt vergeben werden, einer ging an das Macron-Lager, einer an das Linksbündnis von Mélenchon. Über alle anderen Mandate entscheiden die Stichwahlen.

Die linke Nupes-Allianz wird die stärkste Oppositionsfraktion stellen

2017 war es Emmanuel Macron mit seiner Partei La République en Marche gelungen, 314 von 577 Sitzen in der Nationalversammlung zu gewinnen. Die absolute Mehrheit liegt bei 289 Abgeordneten. Macron konnte daher sehr komfortabel und ohne starke Opposition regieren. Dieses Mal tat sich La République en Marche schon vor dem ersten Wahlgang unter anderem mit der zentristischen Partei MoDem und der von Ex-Premier Édouard Philippe frisch gegründeten Partei Horizons zusammen. Doch dieses Parteienbündnis, das Ensemble pour la majorité présidentielle - Zusammen für die Präsidentenmehrheit - getauft wurde, könnte nun auch mit vereinten Kräften daran scheitern, Macron die absolute Mehrheit zu sichern. Nach dem ersten Wahlgang liegen die Prognosen für Ensemble bei 255 bis 295 Sitzen. Um Gesetze durchzubringen, wären die Unterstützer des Präsidenten also auf Zugeständnisse der Opposition angewiesen.

Die linke Nupes-Allianz wird mit Abstand die stärkste Oppositionsfraktion stellen. Prognosen sehen die Nupes bei 150 bis 190 Sitzen. Das würde allerdings nicht reichen, um Jean-Luc Mélenchons Wahlversprechen einzulösen. Er hatte für die Nupes den Slogan geprägt: "Wählen Sie mich zum Premierminister." Zwar wird der Premierminister in Frankreich vom Präsidenten ernannt. Würde die Nupes jedoch die stärkste Kraft, hätte Macron jemanden aus ihren Reihen zum Regierungschef ernennen müssen.

Auf Platz drei landen die Rechtsextremen

Drittstärkste Kraft wurde nach dem ersten Wahlgang der rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen mit 18,7 Prozent der Stimmen. Allerdings führte das Mehrheitswahlrecht bisher dazu, dass der Großteil der Kandidaten der Rechtsextremen nach der Stichwahl ausscheidet. 2017 scheiterte der Front National (heute Rassemblement National) daran, eine eigene Fraktion in der Nationalversammlung zu bilden. Diesmal könnte es für bis zu 45 Sitze reichen - ein deutlicher Zugewinn.

Die rechtsbürgerlichen Républicains kommen nach dem ersten Wahlgang auf 10,4 Prozent der landesweit abgegebenen Stimmen. Die frühere Volkspartei war bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr mit ihrer Kandidatin Valérie Pécresse auf 4,8 Prozent der Stimmen abgestürzt.

Der zweite Wahlgang der Parlamentswahl findet am 19. Juni statt. Am Sonntag wird es auch für 15 Minister und Ministerinnen der aktuellen Regierung darum gehen, mit welcher Legitimation sie weiter ihr Amt ausfüllen können. Von den 15 Ministern, die bei dieser Wahl als Abgeordnete kandidieren, müssen alle in die Stichwahl.

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