Algerien:Macrons Charmeoffensive in Algier

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Der französische Präsident Emmanuel Macron (l.) bei der Verabschiedung vom algerischen Präsidenten Abdelmadjid Tebboune in Algier. (Foto: AFP)

Frankreich ist auf Hilfe aus Algerien angewiesen - und bekommt in seiner ehemaligen Kolonie Konkurrenz durch Russland, China und die Türkei.

Von Mirco Keilberth, Tunis

Der französische Präsident Emmanuel Macron war bis zu diesem Samstag für einen Staatsbesuch in Algerien. Der mit drei Tagen ungewöhnlich lange Aufenthalt in der ehemaligen Kolonie sollte das zuletzt angespannte Verhältnis der beiden Länder auf eine neue Grundlage stellen. Im Dezember 2017 war Macron nur für wenige Stunden in dem flächenmäßig größten Land Afrikas gewesen.

Dort fordert man von Frankreich seit Jahren eine kritische Aufarbeitung des Unabhängigkeitskrieges, bei dem nach algerischen Schätzungen bis zu 45 000 Menschen starben. Zwar hatte Macron als erster französischer Präsident sein Bedauern über die Opfer, aber bisher keine formale Entschuldigung für die französischen Kriegsverbrechen ausgesprochen. Im Oktober hatte er dafür selbst einen diplomatischen Eklat ausgelöst. Während eines offiziellen Treffens mit Nachkommen französischer Algerien-Siedler sprach er von einem verfälschten Vergangenheitsnarrativ des algerischen Staates. Algerien habe vor der Kolonialisierung nicht existiert, so Macron laut Augenzeugen. Die Kolonialherrschaft zwischen 1830 bis 1962 werde von Algerien benutzt, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Der diplomatische Affront des ersten nach der Unabhängigkeit Algeriens geborenen französischen Präsidenten führte zu der Abberufung des algerischen Botschafters aus Paris. Zwar ist dieser nach einer Klarstellung mittlerweile wieder nach Frankreich zurückgekehrt, doch die französische Luftwaffe darf weiterhin nicht den algerischen Luftraum überfliegen. Dadurch stehen die französischen Militäreinsätze in Westafrika vor logistischen Herausforderungen.

Streit gibt es zwischen Algier und Paris auch um die im letzten Jahr beschlossene Reduzierung der französischen Visa für Algerier um 50 Prozent. Paris verkündete die Maßnahme einseitig, da die algerischen Behörden sich geweigert hatten, abgelehnte Asylbewerber wieder einreisen zu lassen.

"Selten hatte das Regime eine derart bequeme Verhandlungsposition gegenüber Frankreich"

Die mit sieben Ministern angereiste französische Delegation wollte nun vor allem die wirtschaftliche Kooperation verstärken. Im Mittelpunkt stand dabei die Steigerung der Gasimporte nach Frankreich und in andere europäische Länder. Nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine hofft man in Brüssel, Berlin und Paris auf eine engere Energiepartnerschaft mit Algerien und seinen Nachbarländern Libyen, Tunesien und Marokko. Doch selbst das sprachlich, geografisch und wirtschaftlich eng verbundene Frankreich wird durch die Konkurrenten China, Türkei und Russland verdrängt. Frankreich ist nach China nur noch der zweitgrößte Handelspartner Algeriens und liefert nur noch 10,6 Prozent der Importe. Die Türkei holt kräftig auf und hat gerade mehrere millionenschwere Bauprojekte an Land gezogen.

Geeinigt hat man sich auf eine stärkere Zusammenarbeit gegen illegale Einwanderung und Menschenschmuggel. Es gehe um das Vorgehen gegen Schlepperbanden und ein effizienteres Rückführen von illegalen Einwanderern, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Freitag in Algier. Hingegen wolle Frankreich die Einreise ausgewählter Personengruppen wie Unternehmer, Doppelstaatler sowie von Sportlern und Künstlern erleichtern.

Emmanuel Macron wollte Algier mit persönlichem Einsatz für sich gewinnen. Am ersten Besuchstag verkündete er die Öffnung der historischen Archive und die Schaffung einer französisch-algerischen Historikerkommission. "Wir werden nicht den einfachen Weg gehen", versprach Macron vor seinem Treffen mit Tebboune. "Selten hatte das Regime eine derart bequeme Verhandlungsposition gegenüber Frankreich und Europa", kommentiert ein regierungskritischer Journalist in Algier, "aber Macron sollte auch die Rechte der einfachen Algerier nicht vergessen, ansonsten kommen wir alle nach Paris."

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