Fraktionschef der Linkspartei:Lafontaine geht, Gysi bleibt

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Linke-Chef Oskar Lafontaine gibt den Vorsitz ab, Gregor Gysi wird mit überwältigender Mehrheit wieder an die Spitze der Frakion gewählt.

D. Brössler und Th. Denkler

Nach zahlreichen Spekulationen über die politische Zukunft von Oskar Lafontaine steht zumindest eines fest: Er wird nicht für den Fraktionsvorsitz im Bundestag kandidieren. Das sagte er nach Informationen von sueddeutsche.de am Mittag vor der Fraktion, die sich zur Zeit im brandenburgischen Rheinsberg trifft. Sein Bundestagsmandat werde er jedoch behalten, bestätigte er Informationen von sueddeutsche.de.

Gregor Gysi wurde erneut zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Er erhielt 94,7 Prozent der Stimmen. Bei der Wahl vor drei Jahren hatte Gysi 91,4 Prozent erhalten. Ferner nominierte die Fraktion Petra Pau erneut zur Vizepräsidentin des Bundestags. Sie erhielt 80 Prozent der Stimmen.

Oskar Lafontaine wünscht sich für Fraktion und Partei weiterhin eine Doppelspitze. Lafontaine sagte nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor der Fraktion, er wolle das Prinzip der Doppelspitze erhalten.

Er schlug vor, seinem bisherigen Co-Fraktionschef Gregor Gysi eine Frau aus dem Westen an die Seite zu stellen und ihm selbst als Parteichef eine Frau aus dem Osten. Damit solle die Pluralität der Partei gewahrt bleiben.

Lafontaine hat die Fraktion überdies dazu aufgerufen, ihre Positionen zu halten. Die Linke habe nur dann eine Chance, wenn sie konsequent an ihren linken Positionen festhalte.

Ausdrücklich kritisierte er den thüringischen Spitzenkandidaten Bodo Ramelow, für seine moderate Haltung zu einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Ramelow hatte gesagt, die Forderung der Linken nach einem sofortigen Anzug könne nicht bedeuten, dass die Truppen "an einem Wochenende" das Land verließen.

Lafontaine sagte in der Fraktionssitzung, die Linke habe sich im Wahlkampf klar als Anti-Kriegspartei profiliert. Deshalb könne es solche Äußerungen nicht geben.

Die neue Linksfraktion im Bundestag kommt am heutigen Freitag und Samstag im Rheinsberg zusammen, um erste Arbeitsschwerpunkte für die Wahlperiode festzulegen und alle wichtigen Personalentscheidungen zu treffen.

Nach der Sitzung erklärte Lafontaine, die Entscheidung habe "nichts zu tun mit der Entscheidung im Saarland. Es wäre völlig fahrlässig, eine solche Entscheidung abhängig zu machen von einer Entscheidung, die noch nicht getroffen ist im Saarland."

Offen ließ Lafontaine, ob er den Vorsitz der Linksfraktion im Saarbrücker Landtag auf Dauer neben seinem Bundestagsmandat behalten will oder nicht. "Diese Entscheidung werde ich Ihnen mitteilen, wenn sie getroffen ist", sagte er. Zuvor war in der Partei ein mögliche Kolaition mit SPD und Grünen im Saarland einer der Beweggründe für lafontaine angegeben worden.

Lafontaine erklärte stattdessen, dass es seit mehreren Jahren eine Diskussion drüber gebe, "dass ich die Funktion des Parteivorsitzenden und die Funktion des Fraktionsvorsitzenden gleichzeitig ausübe". Er habe deshalb seit langem die Absicht gehabt, sich nach der Bundestagswahl auf eine dieser Aufgaben zu konzentrieren. Er werde sich "zukünftig auf die Aufgabe des Parteivorsitzenden konzentrieren und daher daher nicht mehr für die Funktion des Fraktionsvorsitzenden kandidieren".

Rolf Linsler, Landeschef der Saar-Linken, sprach am Morgen gegenüber sueddeutsche.de von "privaten und politischen" Gründen für die Entscheidung.

Schon kurz nach der Bundestagswahl am 27. September hatte es solche Informationen aus dem saarländischen Landesverband der Linken gegeben. Sie waren aber in der Bundespartei als "Quatsch" bezeichnet worden. Der Sprecher der Linksfraktion, Hendrik Thalheim, sagte noch am Donnerstag in Berlin, er weise diese Berichte als "reine Spekulation" zurück.

Nach Informationen von sueddeutsche.de aus Fraktionskreisen heißt es, dass Lafontaine schon vor längerer Zeit einen kleinen Kreis der Fraktion in seine Pläne eingeweiht habe. Es gibt seit einiger Zeit Vermutungen, dass Lafontaine, 66, aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten wolle. Zudem wolle er nicht 2013 als dann 70-jähriger erneut als Spitzenkandidat seiner Partei auftreten.

Die Nachricht hat in der Fraktion Bestürzung ausgelöst. Ein Großteil der Fraktion hat erst gestern, einige auch erst heute aus den Medien von den Plänen erfahren. Es werden heftige Diskussionen erwartet, bei denen nicht ausgeschlossen wird, dass Versuche unternommen werden, Lafontaine von seinem Plan noch abzubringen.

Obwohl Lafontaine und sein Ko-Vorsitzender Gregor Gysi Fragen nach ihrer Kandidatur für die Doppelspitze bislang nicht beantwortet hatten, galt ihre Wiederwahl bislang als sicher. Das Schweigen der beiden Frontmänner war so interpretiert worden, dass sie vor allem bei den 35 neuen der insgesamt 76 Abgeordneten den Eindruck personeller Vorfestlegungen vermeiden wollten.

Die Situation der Linkspartei im Saarland gestaltet sich schwierig. Bei der Landtagswahl am 30. August war sie mit ihrem Wahlkämpfer Lafontaine auf Anhieb auf 21,3 Prozent gekommen. Allerdings waren die Linken im Saarlang bislang weder im Parlament - geschweige denn dass die Partei bei der Regierungsarbeit mitgewirkt hätte.

Einzig Lafontaine verfügt über einen reichen Erfahrungsschatz: Als SPD-Politiker war er jahrelang Ministerpräsident im Saarland. Der heutige Landesvorsitzende der Sozialdemokraten, Heiko Maas, war unter ihm Staatssekretär. Bei einer rot-rot-grünen Landesregierung würde Maas Ministerpräsident.

Und noch eine Deutung für den Verzicht auf Lafontaines Aktivität im Bundestag drängt sich auf: Gerade seine Pesonalie macht es der SPD so schwer mit der Linken auch auf Bundesebene zusammenzuarbeiten. Womöglich macht also Lafontaines halber Rückzug Rot-Rot und Rot-Rot-Grün im Bund erst möglich.

© sueddeutsche.de/dpa/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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