Innenminister fordert feste Flüchtlingskontingente
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) spricht sich für die Festlegung konkreter Aufnahmezahlen von Flüchtlingen aus. Die EU-Staaten müssten sich "zu festen, großzügigen Kontingenten" verpflichten, die dann aber auch eine "Begrenzung der Aufnahmefähigkeit" bildeten, sagte der Minister bei der ersten Lesung des neuen Asylpakets der Bundesregierung im Bundestag. Die EU könnte kein Problem der Welt lösen, indem sie unbegrenzten Zuzug erlaube.
An die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, gewandt, sagte de Maizière: "Bitte keine zu hohen Ansprüche." Vieles sei nicht perfekt, manche Flüchtlingsunterkunft überfüllt und nicht angenehm, doch alle gäben sich "verdammt viel Mühe". Er sprach sich dafür aus, von den Flüchtlingen - parallel zur "Willkommenskultur" - wiederum eine "Anerkennungskultur einzufordern".
Sie müssten die deutsche Rechts- und Werteordnung einhalten, ihren richtigen Namen und ihr Herkunftsland nennen. Zudem gehöre es dazu, dass "man sich nicht prügelt, dass man Geduld hat und andere Menschen akzeptiert unabhängig von Religion und Geschlecht". Er betonte zudem, man müsse "diejenigen in die Schranken weisen, die unser Land radikalisieren wollen".
Die Flüchtlinge hätten wiederum das Recht, hier "friedlich, respektvoll und menschenwürdig" behandelt zu werden, sagte der Innenminister im Hinblick auf rechtsextreme Übergriffe vor Flüchtlingsheimen. Für die Schutzbedürftigen, die hier im Land blieben, forderte de Maizière ein, dass sie nicht nur geduldet, sondern "voll angenommen" werden sollten.
Geplante Neuerungen im Asylrecht
Das Kabinett hatte den Gesetzentwurf zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am Dienstag beschlossen. Er sieht eine Reihe von Verschärfungen und Leistungskürzungen im Asylrecht vor. Zudem sollen weitere Balkanstaaten zu sogenannten sicheren Herkunftsländern erklärt werden.
Auf der anderen Seite werden Integrationsangebote für Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive ausgebaut. Die finanzielle Unterstützung des Bundes für Länder und Kommunen wird deutlich erhöht und künftig von der Zahl und Bleibedauer der Flüchtlinge abhängig gemacht.
Für den Beschluss des Gesetzes braucht die Bundesregierung die Stimmen zweier von den Grünen mitregierten Länder im Bundesrat. Die Grünen werden wohl zustimmen, wenn auch unter Schmerzen.
Göring-Eckardt: Flüchtlinge kommen nicht wegen 4,70 Euro am Tag
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nannte die geplanten Leistungskürzungen für Flüchtlinge denn auch eine Schikane. Sie kritisierte zugleich die geplante Wiedereinführung von Sach- statt Geldleistungen als "Vorschlag aus der Mottenkiste". Menschen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak kämen nicht wegen 4,70 Euro am Tag nach Deutschland, sagte die grüne Fraktionschefin.
Zu den auch von de Maizière angesprochenen Auseinandersetzungen unter Flüchtlingen in einigen Heimen sagte Göring-Eckardt, Gewalt müsse zwar bestraft werden, allerdings sei die Situation in diesen Einrichtungen "drückend" und Konflikte daher unvermeidlich. Das werde sich noch verschärfen, wenn Asylbewerber in Zukunft noch länger als bisher in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben müssten. Sie habe sich vorgestellt, wie es wäre, wenn alle 630 Bundestagsabgeordneten in einer Messehalle untergebracht wären, "gemeinsam auf Feldbetten, Herr Kauder neben Frau Wagenknecht - ich nehme an, es würde alles total friedlich und ohne Streiterei abgehen", sagte sie und erntete dafür Gelächter.
Mayer: Unregistrierte Flüchtlinge sind "großes Sicherheitsrisiko"
Nach Göring-Eckardt äußerte sich auch der CDU-Abgeordnete Thomas Strobl zu gewalttätigen Flüchtlingen - er forderte für sie indirekt eine Abschiebung. "Die Integration wird nur gelingen, wenn wir eine klare Vorstellung davon haben, was wir brauchen und was nicht", sagte Strobl weiter: "Die Gesetze macht bei uns in Deutschland nicht der Prophet, die macht das Parlament."
Stephan Mayer von der CSU warnte, wenn die Flüchtlingszahlen auf dem aktuellen Niveau blieben, werde Deutschland "über kurz oder lang überfordert sein". Dass viele Flüchtlinge ohne Registrierung über die Grenze gekommen seien, bezeichnete Mayer als "großes Sicherheitsrisiko". Die Politik habe nicht nur die Verpflichtung, Schutzbedürftigen zu helfen, sagte Mayer, "sondern wir sind vor allem den Menschen in unserem Land verpflichtet".
Jelpke: Gefährlicher Mix
Die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke übte heftige Kritik am Gesetzentwurf der Regierung: Er sei ein "ganz gefährlicher Mix aus Verschärfungen, verfassungswidrigen Leistungseinschränkungen und Abschreckungsmaßnahmen" und "das Gegenteil von dem, was wir brauchen". Den Vorschlag, Asylzentren an der Grenze zu errichten, nannte Jelpke in Bezug auf die Stacheldrahtzäune des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán eine "Orbánisierungspolitik", diese werde nur "den Hetzern von Pegida, NPD und AfD zugutekommen."
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sprach sich - leicht verschmitzt - dafür aus, zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms in Deutschland die Bundeswehr und deren Einrichtungen zu nutzen. Die Bundeswehr habe viele Kasernen und die Soldaten könnten beim Aufstellen von Betten und Zelten helfen. Das sei doch "viel nützlicher als in Afghanistan Krieg zu führen".
Gysi forderte zudem, die "abstrakten Ängste" von Bürgern zu beruhigen anstatt sie zu schüren. Neben Rechtspopulisten und Rechtsextremisten von der AfD bis zu den Nazis betätige sich vor allem die CSU hier als "Stichwortgeberin", kritisierte Gysi.
Veit: Können nicht alle Grenzen kontrollieren
Der SPD-Abgeordnete Rüdiger Veit kritisierte die Forderung de Maizières und der CSU, neu ankommende Asylbewerber in Zentren an der Grenze festzuhalten und ihre Asylanträge dort zu prüfen, so wie es an Flughäfen bereits geschieht. Der Plan sei unrealistisch, sagte Veit, denn allein die grüne Grenze zu Österreich sei 800 Kilometer lang. "Wollen Sie da Zäune errichten wie in Ceuta und Melilla? Oder wie in Ungarn? Im Ernstfall müssen Sie diese Zäune noch durch die Bundeswehr verteidigen lassen", sagte er, "das ist der völlig falsche Weg."
Der richtige Weg sei, die "Push-Faktoren" in den Nachbarländern Syriens zu verringern. "Wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Menschen dort wenigstens nicht verhungern und erfrieren, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie sich auf den Weg zu uns machen", sagte Veit.