Fikret Orman, Präsident des Fußballklubs Beşiktaş Istanbul, suchte seine Yacht. Im Hafen von Bodrum, an der türkischen Ägäisküste, wo er gewöhnlich ankert, war die Paradiso nicht. Orman alarmierte die Hafenpolizei. Das Luxusboot ist wieder aufgetaucht, vor der griechischen Insel Kos. Entführt, so die Polizei, von Schmugglern - für den Flüchtlingstransport. In diesem Sommer, schrieb die Zeitung Sabah, wurden in Bodrum zu diesem Zweck neun Yachten gestohlen oder ihrer Motoren und Radaranlagen beraubt.
Von Bodrum bis Kos sind es nur ein paar Seemeilen, die Überfahrt mit einer Motoryacht ist so einfach wie ein Sonntagsausflug. Die meisten Schlepper aber nutzen schlichte Schlauchboote. Am vergangenen Donnerstag erreichten 13 solche Boote mit 547 Menschen die griechische Insel Lesbos. Es war die höchste Zahl von Neuankömmlingen an einem Tag seit der großen Flüchtlingskrise von 2015/2016, als 850 000 Menschen über Griechenland und die Balkanroute unterwegs waren.
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Monatlich erledigt Athen nur 2400 Asylanträge, dabei gibt es insgesamt 67 000 Verfahren
Schon seit Anfang August steigen die Flüchtlingszahlen in Griechenland. Am vergangenen Sonntag schlug die Regierung Alarm; in einer Krisensitzung beschloss sie Sofortmaßnahmen. Sie sollen die Lage in den heillos überfüllten "Hotspots" - den Camps auf fünf Inseln - erleichtern. Aus dem Lager Moria auf Lesbos, wo mehr als 10 000 Menschen ausharren, etwa vier Mal so viele wie ursprünglich vorgesehen, wurden zu Beginn dieser Woche 1400 Menschen auf das Festland gebracht. Sie sollen in Unterkünften in Nordgriechenland auf den Ausgang ihrer Asylverfahren warten. Dies kann Jahre dauern. 67 000 Verfahren sind nach offiziellen Angaben derzeit in Griechenland anhängig, in einem Monat schafft die Bürokratie gerade mal 2400 Anträge.
Die neue konservative Regierung von Kyriakos Mitsotakis wirft den linken Vorgängern vor, sie hätten aus "ideologischen Gründen" nicht für Eile gesorgt. Wie Athen nun eine Beschleunigung erreichen will, ist noch unklar. Vizeminister Giorgos Koumoutsakos, zuständig für Migrationspolitik, warf in der Zeitung Kathimerini der türkischen Regierung vor, die Küstenkontrolle zu vernachlässigen - was Ankara umgehend zurückwies.
2016 schlossen die EU und die Türkei ein Abkommen. Es sieht vor, Flüchtlinge von den griechischen Inseln nach negativem Asylbescheid direkt in die Türkei zurückzubringen - im Gegenzug für mehrere Milliarden Euro zur Unterstützung von Geflüchteten in der Türkei, die über drei Millionen Syrer aufgenommen hat. Der Deal verlangt, dass die Menschen auf den Inseln bleiben. Die Camps haben sich so zu überfüllten Sackgassen entwickelt. Menschenrechtsorganisationen beklagen regelmäßig die "verheerenden" Zustände dort.
Der Anstieg der Flüchtlingszahlen in Griechenland dürfte verschiedene Gründe haben. In Istanbul nahm zuletzt der Rückkehrdruck auf Syrer zu, und Afghanen werden aus der Türkei regelmäßig in ihre Heimat abgeschoben. Viele Menschen, die im August auf den griechischen Inseln ankamen, stammen aus Afghanistan und Pakistan, wenige aus Syrien. Aus griechischen Sicherheitskreisen heißt es, die Schlepper hätten jüngst ihre Preise stark gesenkt. Für die Yacht Paradiso galt dies wohl nicht.