Flüchtlinge:Flüchtlinge in Idomeni - wo der Traum von Europa endet

Verprügelte Menschen im Wald, ein beheiztes Lager, das leerstehen muss. An der mazedonisch-griechischen Grenze wirkt sich Europas Flüchtlingspolitik drastisch aus.

Reportage von Oliver Das Gupta, Idomeni

Sie kommen im Morgengrauen. Kurz vor sieben Uhr tauchen vier schwarze Jeeps der mazedonischen Armee aus dem dicken, grauen Nebel. 18 Männer und eine Frau steigen aus. Schuhe und Hosen sind mit Erde beschmiert. Soldaten in Tarnanzügen treiben sie durch die Lücke im Zaun, durch ein weißes Plastikzelt. Die Menschen trotten nach Griechenland. Wieder Griechenland.

Die meisten reden aufgeregt durcheinander, einige schlüpfen ungestüm ins Zelt, wo Helfer trockene Kleidung austeilen. Ein junger Marokkaner reckt den Mittelfinger zur Grenze und zischt: "Fuck Macedonia!"

Im Hintergrund stehen drei ältere Männer. Sie warten, bis das Gedränge vorbei ist. "Wir sind nicht wie die, wir sind Perser", sagt einer von ihnen in englischer Sprache, "diese Araber haben kein Benehmen."

Die Iraner sind in derselben Lage. Mazedonien hat sie als illegale Grenzgänger erwischt und abgeschoben.

Schon die ganze Nacht über sind Ausgewiesene angekommen. Flüchtlinge, die nicht nachweisen können, aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak zu stammen, dürfen seit Ende 2015 nicht mehr in die Republik Mazedonien (FYROM) einreisen. An der Bahnlinie beim griechischen Dorf Idomeni ist die Grenze blockiert. Mazedonien hat inzwischen einen hohen, mit scharfen Stacheldrahtrollen verstärkten Zaun durch die Landschaft gezogen.

Einige der Ausgewiesenen fahren mit dem Bus zurück nach Athen, von dort werden sie oft in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Andere, vor allem Männer, versuchen es trotzdem. Zwölf Kilometer entfernt von Idomeni endet der Grenzzaun. Dort stapfen sie über die grüne Grenze, nachts, zu Hunderten. Manche zahlen den Schleusern ihr letztes Geld, die sie dann in die Arme der Polizei führen. Ein Iraner hat einem Schlepper 1200 Euro gegeben, damit er ihn nach Belgrad bringt. Doch schon nach wenigen Stunden Nachtmarsch war Schluss.

Amnesty wirft Mazedonien vor, mit Kunstoffprojektilen zu schießen

Mazedonische Beamte gehen Zeugenberichten zufolge teilweise drastisch mit den Aufgegriffenen um: Manche werden verprügelt, anderen werden Geld, Kleidung oder die Schuhe abgenommen, wie Helfer erzählen. Eine deutsche Studentin berichtet von einer offensichtlich aus Afrika stammenden Frau, die über die Grenze zurück nach Griechenland wankte. "Sie wollte sich nicht mal mehr von Ärzten behandeln lassen." Ein 33 Jahre alter Marokkaner zeigt Striemen an seinen Beinen. Seine Schilderung und die anderen Berichte sind allerdings nicht verifizierbar.

Für die Schüsse jenseits der Grenze gibt es zahlreiche Ohrenzeugen. Bei Dunkelheit, erzählt etwa ein griechischer Helfer der Ärzte ohne Grenzen, höre er immer wieder mal Schüsse. Amnesty International hatte Mazedonien erst im Dezember vorgeworfen, mit Kunststoffprojektilen auf Flüchtlinge zu feuern. Bei den Griechen hat die Republika Makedonija ohnehin einen schlechten Ruf. Seit Jahren tobt ein Namensstreit. Der heutige Staat war nach dem Zerfall von Jugoslawien entstanden und sieht sich trotzdem in der Tradition des Reichs von Alexander dem Großen, ungeachtet der Tatsache, dass sich die wichtigsten Ruinen des aktiken hellenischen Königreichs in der griechischen Provinz nahe Thessaloniki befinden. Die Griechen nennen deshalb das Nachbarland nur nach der Hauptstadt "Skopja", und die Menschen jenseits des Grenzzauns "Skopianer".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: