Flüchtlingspolitik:Land kündigt Kommunen vorzeitige Zuweisung Geflüchteter an

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Das Wort „Asyl“ steht auf einem Wegweiser. (Foto: Patrick Pleul/dpa/Symbolbild)

Die Zahl der Asylsuchenden steigt. Das NRW-Familienministerium hat vor diesem Hintergrund den Kommunen eine vorzeitige Zuweisung von Geflüchteten angekündigt. Das stößt im Landtag auf heftige Kritik.

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen müssen sich nach einer Ankündigung der Landesregierung auf deutlich steigende Flüchtlingszahlen einstellen. Gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden hat das NRW-Familienministerium eine vorzeitige Zuweisung von Geflüchteten aus den Landeseinrichtungen in die Kommunen angekündigt, wie ein Sprecher am Mittwoch bestätigte.

Der Städte- und Gemeindebund NRW spricht in einem Rundschreiben an seine Mitglieder von einer sich zuspitzenden Lage. Er fordert darin erneut einen zügigen Ausbau der Landeseinrichtungen, der aber stocke. Zudem mahnt er deutliche Verbesserung in der Flüchtlingsfinanzierung an. Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ und die „Rheinische Post“ hatten über die vorzeitigen Zuweisungen an die Kommunen berichtet.

In den zentralen Unterbringungseinrichtungen und den Notunterkünften des Landes beträgt die Aufenthaltsdauer laut Familienministerium bislang in der Regel zwischen drei und 16 Monaten. In Einzelfällen könnten es auch bis zu 24 Monate sein, Familien würden innerhalb von 6 Monaten zugewiesen. In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes dauere der Aufenthalt in der Regel nur wenige Tage. Die Kommunen gehen nach der Ankündigung nun davon aus, dass ihnen Geflüchtete schneller zugewiesen werden und sie weniger Vorlaufzeit haben.

Die FDP-Landtagsfraktion fordert von der Landesregierung einen Notfallplan und Sofortmaßnahmen. „Die Kommunen in NRW sind mit ihren Finanzmitteln und ihrem Platzangebot in Unterkünften, Kitas und Schulen an ihrer Leistungsgrenze angelangt“, erklärte Fraktionschef Henning Höne. Alles, was möglich sei, müsse jetzt aktiviert werden. Er sprach von einem Offenbarungseid der schwarz-grünen Koalition.

Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ist die Ankündigung der Landesregierung eine Bankrotterklärung. „Chaos in den Planungen, mangelnde Kommunikation und fehlende Wertschätzung gegenüber den Kommunen und auch den Bürgerinnen und Bürgern sind Ausdruck eines eindeutigen Managementversagens“, erklärte Vize-Fraktionschefin Lisa-Kristin Kapteinat. Sie warf Familienministerin Josefine Paul (Grüne) vor, Warnungen überhört zu haben, die es schon lange gebe.

Das NRW-Familienministerium betonte, es werde mit Hochdruck daran gearbeitet, die Kapazitäten im Landesunterbringungssystem zur Entlastung der Kommunen zu erhöhen. Die Bezirksregierungen prüften derzeit mehr als 40 Liegenschaften. In diesem Jahr hätten bereits Notunterkünfte in Herne, Bielefeld, Marmagen und Leverkusen sowie eine zentralen Unterbringungseinrichtung in Mülheim ihren Betrieb aufgenommen. Aufgrund auslaufender und nicht verlängerbarer Mietverträge hätten aber auch Unterkünfte schließen müssen.

Das Land verfügt laut Ministerium aktuell über 45 Landesunterkünfte mit 30.780 aktiv betriebenen Plätzen. Die Einrichtungen seien zu etwa 89 Prozent ausgelastet. Wie der Städte- und Gemeindebund in seinem Rundschreiben zu den neuen Informationen der Landesregierung erklärte, handele es sich dabei nur um einen Durchschnittswert. Die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen seien ausgelastet beziehungsweise teilweise bereits überbelegt, habe das Land erklärt.

Deshalb müssten nach Darstellung des Landes schon zum jetzigen Zeitpunkt vorzeitige Zuweisungen von Geflüchteten an die Kommunen erfolgen. Konkret geht es zunächst um etwa 1500 Geflüchtete, die in der kommenden Woche zugewiesen werden sollen, wie das Ministerium bestätigte. Der Transfer erfolge dann ungefähr zwei Wochen später.

Laut dem Rundschreiben des Kommunalverbandes soll das Ministerium aber eingeräumt haben, dass der geplante Ausbau der Landeskapazitäten nicht so schnell wie erwartet erfolge, so dass auch in den kommenden Wochen an den vorzeitigen Zuweisungen festgehalten werden müsse. Der Städte- und Gemeindebund NRW hatte mehrfach einen deutlichen Ausbau der Landeskapazitäten auf etwa 70.000 bis 80.000 Plätze angemahnt.

Das NRW-Familienministerium kritisiert unterdessen den Bund, der sich bisher in Scheindebatten verliere, während sich die Lage in den Ländern und Kommunen zuspitze. „Die konstant hohe Zahl der Zuzüge stellen eine große Herausforderung für Länder und vor allem Kommunen dar. Die Kapazitäten kommen dabei zunehmend an ihre Grenzen“, hieß es. Der Bund müsse „nun endlich tätig werden, wenn es um echte Unterstützung vor Ort und tragfähige Instrumente der Steuerung geht“.

© dpa-infocom, dpa:230816-99-857715/5

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