Flüchtlinge:Die Absage des Rheinberger Karnevalszugs ist ein fatales Signal

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Die Entscheidung zeigt: Nach den Übergriffen von Köln stehen Flüchtlinge mancherorts unter Generalverdacht.

Kommentar von Benedikt Peters

Der Stadtsprecher versuchte noch, seine Worte wieder einzufangen: Dass der Rosenmontagszug in Rheinberg nicht stattfinden könne, liege ja nicht nur an den Flüchtlingen. Sondern auch daran, dass man mehr Menschen am Straßenrand erwarte als in den Vorjahren. Wegen beidem gebe es Sicherheitsbedenken, so sagte er es sinngemäß der Rheinischen Post.

Da aber war es längst zu spät. Mit der Absage des Umzugs im Stadtteil Orsoy kommt aus dem Städtchen am Niederrhein, 80 Kilometer entfernt von Köln gelegen, ein fatales Signal.

In Orsoy gibt es eine Flüchtlingsunterkunft. 200 Menschen leben schon dort, vor Karneval sollen vermutlich noch 300 weitere einziehen. Es sei daher nicht auszuschließen, dass einige Flüchtlinge Alkohol tränken und es Szenen wie in der Kölner Silvesternacht gebe, argumentiert die Stadt. Daher forderte sie vom veranstaltenden Karnevalsverein nun kurzfristig ein striktes Sicherheitskonzept, zu dessen Erfüllung er sich in den drei Wochen bis Karneval aber nicht mehr in der Lage sieht. Weiter argumentierte der Sprecher, die Flüchtlinge seien den Karneval nicht gewöhnt.

Das Muster: Einige begehen Straftaten, alle sind potenzielle Straftäter

Die Argumentation ist unerträglich. Erstens, weil sie Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt, sie missbrauchten Feierlichkeiten, um sich einen hinter die Binde zu kippen, Schlägereien anzuzetteln und Frauen zu belästigen.

Darin erinnert die Rheinberger Absage an eine Entscheidung der Stadt Bornheim, nach der die männlichen Bewohner dreier Flüchtlingsheime nicht mehr in ein Schwimmbad dürfen, da einige Flüchtlinge dort offenbar Frauen belästigt hatten. Es ist das gleiche Muster. Einige begehen Straftaten, alle gelten als potenzielle Straftäter.

Kontraproduktiv ist die Rheinberger Karnevalsabsage zweitens auch, weil man Menschen nicht mit einem gesellschaftlichen Brauch vertraut machen kann, indem man ihn absagt. Genau das wird von den Flüchtlingen aber immer wieder verlangt: die Lebensweise in Deutschland kennen- und mit ihr leben zu lernen.

Die Absage macht Flüchtlinge zum Sündenbock für etwas, das die Stadt und der veranstaltende Karnevalsverein gemeinsam vermasselt haben: rechtzeitig für ein Konzept zu sorgen, das zur Veranstaltung passt. Dazu hätte in erster Linie gehört, den Flüchtlingen zu erklären, was sie bei einem Karnevalszug erwartet. Außerdem bräuchte es genügend Polizisten, um der erwarteten Teilnehmerzahl gerecht zu werden. Diese sind dann gefragt, Straftaten nachzugehen oder sie bestenfalls zu verhindern - ganz gleich, von wem sie begangen werden.

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