Computertechnik:Gut abgespeichert

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Die 3,5 Zoll-Diskette hat immer noch glühende Fans. Vor allem unter Beamten in Tokio.

Von Philipp Bovermann, München

Seit Jahren geistert eine angebliche Anekdote, die immer mal wieder jemand selbst erlebt haben will, durchs Internet. Es geht darin um einen jungen Menschen, der beim Anblick einer 3,5 Zoll-Diskette gefragt haben soll, warum der ältere Mensch, der dies amüsiert berichtet, denn das "Speichern"-Symbol im 3D-Drucker ausgedruckt habe. Haha, die jungen Leute kennen keine Disketten mehr! Was haben wir gelacht.

Ob der Witz wohl auch auf den Fluren der kommunalen Bezirksverwaltungen von Tokio gezündet hat? Die dortigen Beamten, so berichtet es das Nachrichtenmagazin Nikkei Asia, halten nach wie vor viel vom Speichermedium Diskette, von dem sie sich nun - offenbar eher widerwillig - allmählich trennen. Die Regierung würde die Verwaltung gern modernisieren und macht Druck. Die Verwaltung des Stadtbezirks Meguro bekam im Jahr 2019 sogar von ihrer Bank mitgeteilt, dass diese eine monatliche Gebühr von umgerechnet rund 380 Euro erheben werde, sollte die Behörde die Daten über anstehende Lohnzahlungen weiter per Bote und Diskette anliefern. Zwei Jahre lang hat sie das dennoch nicht dazu veranlasst, ihr System umzustellen.

Die Bank verweist auf Kosten, die dadurch entstünden, dass sie die antiken Laufwerke funktionstüchtig halten muss. Diese Form der Datenübertragung sei ineffizient und riskant. Die Behörde scheint diese Sorgen nicht zu teilen. Es sei "beinahe" nie zu Datenverlusten durch kaputte Disketten gekommen, sagte einer der Beamten dem Magazin.

Die Geschichte aus Tokio erzählt nicht nur vom Beharrungsvermögen öffentlicher Verwaltungsapparate, sie zeigt auch, wie hartnäckig sich die Diskette gegen das Verschwinden stemmt. Mehr als zwei Jahrzehnte, nachdem sie von der CD verdrängt wurde, die inzwischen ihrerseits das Rentenalter erreicht hat, stecken Disketten noch immer in mehr Geräten, als man annehmen würde. Musiker nutzen sie, um alte Synthesizer mit neuen Klangfarben zu füttern. Flugzeuge des Typs Boeing 747 älteren Baujahres erhalten alle 28 Tage per Diskette die neuesten Navigationsdaten. Auch in Kraftwerken oder etwa Ampelanlagen sollen sie laut Kuratoren des Deutschen Museums in München noch immer ihren Dienst tun.

Der englische Computerunternehmer James Bailey hat mit seiner Firma früher Ersatzteile für alte Computersysteme besorgt. Er sagt, dass es in bestimmten Fällen sogar Vorteile haben könne, auf Technologie von gestern zu setzen. "Security through obscurity" sei die Losung, frei übersetzt: Die Sicherheit rühre daher, dass sich mögliche Angreifer mit der Technik nicht mehr auskennen. Ein sicherer Schutz gegen eine gezielte Attacke sei das freilich nicht, betonen IT-Experten, denen man von dem Konzept erzählt, möglicherweise sogar gar kein Schutz, aber immerhin: Der Angriff müsste per Diskette erfolgen. Die hat man ja heutzutage nicht mehr stapelweise herumliegen - sofern man nicht zufällig in einer kommunalen Behörde arbeitet.

Meguro, der Stadtbezirk von Tokio, dem seine Bank mit einer monatlichen Disketten-Sondergebühr droht, will noch dieses Jahr auf digitale Datenübertragung umstellen. Der Bezirk Chiyoda möchte diesen Schritt "in den kommenden Jahren" angehen.

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