Film "Game Change" über Palin:Die Ballade von John und Sarah

Lesezeit: 3 min

Ausgerechnet die liberale Hollywood-Elite hat sich in dem Film "Game Change" das unglückliche Republikaner-Pärchen der US-Präsidentschaftswahl von 2008 vorgenommen. Ed Harris spielt John McCain, Julianne Moore spielt Sarah Palin - und die Fans der Tea-Party-Ikone schreien: Alles erfunden!

Jannis Brühl

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Sarah Palin ist depressiv. Sie liegt in einem Bademantel auf dem Boden eines Hotelzimmers, in einem Meer aus Karteikarten. Sie muss das alles auswendig lernen, an eine Kandidatin für das Vizepräsidentenamt des mächtigsten Landes der Erde werden Ansprüche gestellt.

So oder so ähnlich könnte es tatsächlich gewesen sein. Doch auf dem Fußboden liegt nicht die republikanische Ikone Sarah Palin, sondern der Hollywoodstar Julianne Moore. Die Szene stammt aus dem Film Game Change, der am Samstag auf dem amerikanischen Pay-TV-Sender HBO läuft und derzeit Palins Fans erzürnt.

Es ist die Geschichte des Präsidentschaftskandidaten John McCain (Ed Harris) und seiner letzten Hoffnung. Der alternde Senator sieht seine Chancen schwinden, weil der unverbrauchte Barack Obama die Massen begeistert und "change" verspricht. McCains Wahlkampfmanager Steve Schmidt (Woody Harrelson) empfiehlt ihm, das Spiel mit einem game changer - beim Fußball würde man wohl "Joker" sagen - herumzureißen.

Und so wird die Gouverneurin des abseitigen Bundesstaates Alaska ins Rampenlicht einer Mediennation geworfen. Sie begeistert konservative und ländliche Amerikaner mit ihrer folksiness, ihrer Ich-bin-genau-wie-ihr-Art. Demokraten und Medienleute freuen sich allerdings alsbald aus einem anderen Grund über Palins Auftauchen: In ihren Augen macht sich Palin bei fast jedem öffentlichen Statement lächerlich, sie wird zum Symbol für mangelnde Substanz in der politischen Landschaft.

Palin selbst leidet im Film unter den Angriffen, aber auch unter dem Druck der Kampagne und später der Enttäuschung der Republikaner, die sehen, dass sie eben kein game changer ist. Sarah steht am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Die Ähnlichkeit ist in manchen Szenen zwar verblüffend, doch Moore hat sich Einiges aufgebürdet. Sie muss nicht nur eine Rolle glaubhaft spielen, deren Vorlage lebt und den Menschen deshalb präsent ist. Moore hat auch eine prominente Vorgängerin: Die Komikerin Tina Fey parodierte Palin während des Wahlkampfes 2008 grandios - und sah ihr noch ähnlicher als jetzt Moore. Fey gewann einen Emmy für die Auftritte.

Moore, Harris, Harrelson, dazu Tom Hanks als Produzent: Ausgerechnet die liberale Hollywood-Elite, über die republikanische Lautsprecher so gerne herziehen, hat sich das unglückliche Pärchen der Wahl von 2008 vorgenommen. Moore hat sich darum bemüht, Palin ohne Häme darzustellen. Ungebildet wirkt sie trotzdem. Ein ehemaliger Mitarbeiter bezeichnete den Inhalt des Films, der auf einem Sachbuch basiert, als "Fiktion". Die Polit-Organisation SarahPac sprach von "verdrehten Fakten" im Film - und bastelte ein eigenes Video, mit dem sie Palin in ein positives Licht rücken will.

Auch David Frum, der kluge konservative Ex-Redenschreiber von George W. Bush, kritisiert im Magazin Newsweek: "Game Change zeigt eine Palin von beinahe unergründlicher Ignoranz", die von der amerikanischen Zentralbank Fed noch nie gehört habe.

Schon die Vorlage des Films war umstritten: Das Buch Game Change der Journalisten John Heilemann und Mark Halperin erschien 2010. Es behandelt aber auch die Wahlkämpfe der Demokraten Obama und Hillary Clinton. Die Autoren kamen in die Kritik, weil sie Szenen nacherzählten, die im Wahlkampf hinter den Kulissen passiert waren, aber keine ihrer Insiderquellen preisgaben. Gegenargument von Heilemann und Halperin: Alles sei ordentlich recherchiert - aber ohne Quellenschutz wären sie eben nie an die Geschichten gekommen.

Kommentator Frum lobt immerhin, dass der Film Palin zu einem Zeitpunkt zeigt, bevor sie zu der aggressiven Kommentatorin wurde, als die sie heute auf Fox News viel Geld verdient. Diese wüsten Auftritte seien ihre Rache für die Wahlniederlage, schreibt Frum. "Das geniale an Game Change ist, dass er zeigt, wie dieser Star geboren wird." Regisseur Jay Roach verzichtet - zumindest Trailer und Ausschnitten nach zu urteilen - darauf, Palins Weltfremdheit als komödiantische Steilvorlage auszuschlachten. Dabei ist er ein Mann vom Fach. Vor Game Change drehte er unter anderem die drei Austin-Powers-Filme, Meine Braut, ihr Vater und Ich und produzierte Borat.

Und Palin selbst? Die reagierte - natürlich auf Fox News: "Ich bin immer dafür, Arbeitsplätze zu schaffen", sagte sie zu der Nachricht, dass Moore sie spielen würde. "Sie könnte meiner Tochter ja von dem Geld eine neue Zahnspange kaufen, wenn sie schon Geld damit verdient, so zu tun als sei sie ich" - als Linke sei Moore bestimmt dafür, Reichtum umzuverteilen.

Und am Mittwoch ließ Palin noch etwas anderes verlauten: Sollte keiner der republikanischen Bewerber wie Romney oder Santorum ausreichend Delegiertenstimmen für die Versammlung der Republikaner im Sommer erhalten, könnte sie sich vorstellen doch noch in das Rennen um die Präsidentschaft eingreifen: "Alles ist möglich, ich schlage keine Türen zu, die vielleicht da draußen offen sind."

Game Change läuft am Samstag auf HBO. Auf der Website des Senders gibt es mehr Szenen und Behind-the-Scenes-Clips aus dem Film.

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