Endspurt im US-Wahlkampf:Mit dem Florett des Humors

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Im US-Präsidentschaftswahlkampf geht es nicht immer hart zur Sache: Mindestens ebenso wichtig wie Siege in TV-Duellen ist der Humor der Kandidaten - und der kann manchmal richtig unterhaltsam sein. Heute: Sarah Palin und ihre Doppelgängerin.

Sarah Palin als Rapperin? Ganz so weit wollte sich die republikanische US-Vizepräsidentschaftskandidatin nicht aus dem Fenster lehnen. Aber an der Seite von Comedy-Star Amy Poehler ging Palin in der Show "Saturday Night Live" dann doch richtig mit.

Die Schauspieler Amy Poehler (m.) und Seth Meyers (l.) führen mit Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin einen Alaska-Rap in der "Saturday Night Live"-Show auf. (Foto: Foto: Reuters)

Die Gouverneurin von Alaska bewegte den Kopf im Takt, als Poehler einen Alaska-Song rappte - "Von meiner Veranda aus kann ich Russland sehen" - und als Eskimos verkleidete Schauspieler vorüberzogen.

Palins persönlicher Auftritt folgte einer Parodie der Komödiantin Tina Fey. Als Palin verkleidet ließ Fey in einer "Pressekonferenz" die Gouverneurin in Fettnäpfchen tappen. So nutzte sie den Gleichlaut der Wörter "Umfrage" (poll) und "Pol" (pole) im Englischen, um Palin sagen zu lassen, sie mache sich keine Sorgen wegen der Umfragen, nur wegen des abschmelzenden Nordpols.

Auch zu ihrer Meinung über das TV-Duell der Präsidentschaftskandidaten John McCain und Barack Obama wurde Fey alias Palin befragt. Die echte Palin sah vom Bühnenrand aus zu - und fand sich nicht gerade hundertprozentig getroffen. "Ich denke nicht, dass das eine realistische Darstellung davon ist, wie meine Pressekonferenzen gelaufen wären", sagte sie Produktionsleiter Lorne Michaels.

Als Alec Baldwin erschien und - zumindest als Schaueinlage - davon ausging, es mit Fey und nicht mit der echten Palin zu tun zu haben, verstummte die Politikerin. Sie musste mit anhören, wie Baldwin zu Michaels sagte: "Dies ist die wichtigste Wahl in der Geschichte unseres Landes und du willst sie, unsere Tina, mit dieser schrecklichen Frau auf die Bühne schicken?"

Vom Stern Krypton

Als Michaels ihn daraufhin Palin vorstellte, tat Baldwin peinlich berührt und bat um Verzeihung. Palin konterte mit: "Danke, und ich muss Ihnen sagen, dass Ihr Bruder Stephen mein Lieblings-Baldwin ist." Mit ihrem Auftritt auf der Bühne schlug Palin zum Applaus des Studiopublikums schließlich Fey in die Flucht.

Fey tritt bereits seit September als Palin auf, nachdem McCain die Gouverneurin aus Alaska zu seiner Vizekandidatin erkor. Die beiden Frauen sehen sich ähnlich, und Palin verriet, dass sie schon früher öfter auf äußere Übereinstimmungen mit der Schauspielerin angesprochen wurde. Ob McCain Palins Show-Einlage sah, war zunächst nicht überliefert. Im Vorfeld hatte er sich aber zuversichtlich gezeigt: "Sie wird das gut machen."

Schon Ende der vergangenen Woche hatten McCain und sein demokratischer Rivale auf einem Galadinner in New York Humor im Wahlkampf bewiesen. Da gestand Barack Obama in Anspielung darauf, dass ihn manche Anhänger wie einen Messias verehrten: "Ich bin nicht, wie manche meinen, in einem Stall geboren, sondern auf dem Stern Krypton", wo, wie Amerikaner wissen, Superman herstammt. Von dort sei er zur Erde entsandt worden, "um den Planeten zu retten".

Als seine "größte Schwäche" bezeichnete Obama, "dass ich so großartig bin" - womit der elegant im Smoking und mit weißer Fliege gekleidete Demokrat auch McCain zum prustenden Lachen brachte.

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Der 72 Jahre alte Senator stand Obama in Sachen Selbstironie kaum nach: "Ich habe heute Morgen alle meine führenden Berater gefeuert. Ihre Aufgaben habe ich an einen Mann namens 'Joe the Plumber' übertragen".

Damit spielte McCain auf den inzwischen zur Berühmtheit aufgestiegenen Joe, einen Klempner aus Ohio, an. Joe Wurzelbacher, der vergangene Woche Obama sorgenvoll nach neuen Steuern befragt hatte, war beim TV-Duell am Vorabend stellvertretend für den US-Normalbürger sagenhafte 26 mal von den Kontrahenten bemüht worden - "öfter als der Irakkrieg", wie Comedy-Star Jon Stewart ironisch anmerkte.

Bei dem traditionellen Al-Smith-Dinner im Ballsaal des mondänen Waldorf-Astoria-Hotels allerdings fochten McCain und Obama nicht wie am Vorabend mit dem Säbel des Wahlkampfs, sondern mit dem Florett des Humors - ohne heikle Themen zu meiden. Sein "Freund" Obama habe sicher nichts dagegen gehabt, dass er ihn bei der zweiten TV-Debatte despektierlich "that one" ("der da") genannt habe, meinte der Republikaner. Schließlich habe auch Obama "einen Kosenamen für mich: George Bush".

Der schwarze Senator antwortete, sein Vorname Barack heiße ohnehin auf Swahili, der Sprache Kenias und seines Vaters, "that one". Seinen Mittelnamen "Hussein" habe er allerdings "von jemandem erhalten, der nicht daran dachte, dass ich mich einmal um die Präsidentschaft bewerben würde".

Bei dem 63. Spendendinner, bei dem 3,9 Millionen Dollar (2,9 Millionen Euro) für benachteiligte Kinder gesammelt wurden, saßen Obama und McCain am Ehrentisch - lediglich voneinander getrennt durch Gastgeber Kardinal Egan, dem in festlichem Purpur gekleideten Erzbischof von New York.

"Ich habe versagt."

Zuvor war McCain schon bei Talkmaster David Letterman gewesen, den der Republikaner vor ein paar Wochen überraschend - und angeblich wegen der Finanzkrise - versetzt hatte. "Bin ich nicht wichtig genug?", fragte der TV-Star scheinheilig empört. "Soll ich die Wahrheit sagen?", frage McCain mit ernstem Gesicht. "Ich habe versagt. Das war's."

Solch ein unerwartet krasses Geständnis, wenn auch nur augenzwinkernd gespielt, entwaffnete nicht nur den lachenden Letterman und das jubelnde Publikum. Wer in den USA die Lacher auf seine Seite bekommt, hat auch im Wahlkampf wichtige Punkte gemacht.

Die Sendungen "Saturday Night Live" (SNL) und die "Jon Stewart Show" spielen seit langem eine außergewöhnlich wichtige Rolle in der US-Politik. "SNL", das über zehn Millionen Zuschauer hat, mokierte sich schon früh über die "Obamania" vieler US-Medien - und machte sich mit beißendem Spott über Hillary Clintons Steifheit und Ehrgeiz lustig. Selbstverständlich ehrten Obama und Clinton SNL mit langen Auftritten in verschiedenen Sendungen.

Echte Panne mit Palin

Ganz unhumoristisch ist Washington unterdessen eine echte Panne im Umgang mit Palin unterlaufen: US-Verteidigungsminister Robert Gates hat Präsidentschaftskandidat John McCain wegen eines wichtigen Vertrags mit dem Irak angerufen und Außenministerin Condoleezza Rice hat am Telefon mit dem Demokraten Barack Obama und dessen Vizepräsidentschaftskandidat Joe Biden gesprochen. Nur die republikanische Vize-Kandidatin Sarah Palin hat niemand angerufen.

"Einer von ihnen wird die Wahl gewinnen", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Dana Perino, am Freitag. Dann müssten sie sich ab Januar mit den Themen befassen. Mit den Gesprächen wollte die Regierung bei einflussreichen Kongressmitgliedern um Unterstützung für ein Abkommen zur langfristigen Truppenstationierung im Irak werben.

Palin sollte damit nicht brüskiert werden, betonte das Weiße Haus. Die republikanische Vize-Kandidatin sei nicht angerufen worden, weil sie kein Mandat im Kongress in Washington habe - im Gegensatz zu den Senatoren Obama, Biden und McCain. "Falls Sie es nicht bemerkt haben, sie ist Gouverneurin", sagte Außenamtssprecher Sean McCormack. Die 44-jährige Gouverneurin von Alaska gilt in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik als unerfahren.

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