Bremer Feuerwehr:"Rückständig, autoritär und angstbesetzt"

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Einsatzkräfte der Feuerwehr Bremen arbeiten an einem durch Feuer beschädigten Haus im Stadtteil Mahndorf. (Foto: Sina Schuldt/ picture alliance/dpa)

Eine Sonderermittlerin übt schwere Kritik an der Führungskultur und erkennt bei den Feuerwehrleuten zwar "Alltagsrassismus", aber kein rechtes Netzwerk. Die Ermittlungen fanden nach Recherchen von Radio Bremen, NDR und SZ und Vorwürfen von Whistleblowern statt.

Von Peter Burghardt, Hamburg, Sebastian Manz und Reiko Pinkert, Bremen

Schwere Vorwürfe gegen die Bremer Feuerwehr machten vor einigen Monaten die Runde, es ging um rechtsextreme Chats, um Mobbing, Rassismus und Sexismus. Aus anderen Wachen in Deutschland wurden ähnliche Fälle gemeldet. Im Bremer Fall hatten Whistleblower gegenüber Radio Bremen, dem NDR und der Süddeutschen Zeitung ausgepackt, der rot-grün-rote Senat der Hansestadt setzte daraufhin eine Sonderermittlerin ein. Jetzt weist sie in ihrem Abschlussbericht auf teilweise eklatante Missstände bei der Feuerwehr hin, auch wenn sie nicht von rechten Strukturen spricht.

Karen Buse (SPD) erkennt in ihrem Fazit eine "rückständige, autoritäre und angstbesetzte Führungskultur", die ungeeignet sei, die genannten Vorfälle zu bekämpfen. Ein halbes Jahr lang hatte sich die ehemalige Richterin und Staatsrätin im Auftrag von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) mit der mutmaßlichen Diskriminierung bei der Bremer Feuerwehr beschäftigt.

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Etliche Feuerwehrleute wandten sich an sie, teilweise anonym. So schilderten mehrere Frauen sexistisches Verhalten männlicher Kollegen: "Die wenigsten Beamtinnen erfreuen sich an abendlichen Pornofilmen im gemeinsamen Aufenthaltsraum auf der Wache", heißt es da zum Beispiel. Oder: "Der Hinweis, dass ein Vorgesetzter Nacktfotos einer Feuerwehrbeamtin auf dem PC gespeichert hatte und diese jeweils den auf der Wache neu anfangenden Beamten vorgeführt haben soll, löste bei der Feuerwehrleitung keine unmittelbare Reaktion aus."

Der Sonderermittlerin fiel auf, dass die Anschuldigungen von der Feuerwehrleitung formal und inhaltlich unzureichend behandelt worden seien. "Ohne an dieser Stelle auf Details eingehen zu können, muss doch festgestellt werden, dass die Opfer keinerlei Zuwendung oder Schutz erhielten, während sich um die Täter mit einiger Fürsorge bemüht wurde."

Routine sind demnach außerdem teilweise sehr unappetitliche Initiationsriten sowie Homophobie und rassistischer Wortschatz. Abwertende Begriffe wie "Ölauge", "Kanake", "N****", "Kameltreiber" oder "Ali Arschgeige" würden auf fast jeder Bremer Wache "ganz ausnahmsweise" bis "regelmäßig" als Bezeichnung für "Nicht-Biodeutsche" verwandt. Allerdings würden Ausländer und Migranten nicht generell so benannt, wie die Ermittlerin von Zeuginnen und Zeugen erfuhr. Solche Begriffe hätten sie nur als Reaktion auf besonders aufwühlend und schwierig erlebte Einsätze bei diesen Bevölkerungsgruppen verstanden.

Hinweise auf strukturellen Rassismus fand die Sonderermittlerin nicht, auch gebe es beim Einsatz in der Regel keinen Unterschied "im Hinblick auf Nationalität, Hautfarbe oder Religion eines Hilfsbedürftigen". Allerdings machten "problematische gesamtgesellschaftliche Entwicklungen vor der Feuerwehr nicht Halt", das gelte auch für die "häufig zu beobachtende und hochbedenkliche Verharmlosung des Nationalsozialismus durch angeblich schwarzen Humor" und "Alltagsrassismus" durch "diskriminierende Sprache."

Ein rechtsextremes Netzwerk konnte von den nun gehörten Informanten niemand erkennen, es könne jedoch einzelne Personen bei der Feuerwehr geben, "die über rechtsextremistisches Gedankengut verfügen". Die Chats mit menschenverachtenden Kommentaren und Bildern mit Nazi-Jargon würden als "schwarzer Humor" verstanden, die Kollegen hätten dabei "zunehmend jedes Maß verloren". Ein Hauptbeschuldigter wurde vom Dienst suspendiert, die strafrechtlichen Ermittlungen laufen. Auch wurden im Zuge eines mitgeschnittenen Gesprächs Disziplinarverfahren gegen drei Beamte eingeleitet, wegen Beleidigungen und Gewaltfantasien gegenüber einer Kollegin.

Als größtes Problem sehen die Befragten die Führungsstruktur der Behörde. "Nicht wenige Beamtinnen und Beamte haben in den Gesprächen, aber auch anonym, von Mobbing durch Vorgesetzte berichtet", steht in dem Bericht. Führungspersonal agiere mit Willkür und versetze die Belegschaft in Angst und Schrecken. Anfang April trat der neue Leiter der Bremer Berufsfeuerwehr seinen Dienst an. In der kommenden Woche befasst sich der Bremer Innenausschuss mit den Erkenntnissen der Juristin Buse.

Deren Gesamturteil fällt trotz der Kritik relativ milde aus. "Nein, es brennt nicht", schreibt sie, "aber an der einen oder anderen Stelle schlägt der Rauchmelder an."

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