FDP:Wie Lindner künftig die FDP positionieren will

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FDP-Chef Christian Lindner auf dem Landesparteitagspricht in Neuss (Nordrhein-Westfalen) (Foto: dpa)

Wenn sie gegen Merkel arbeiten, stehen die Chancen der Liberalen besser, als wenn sie an ihrer Seite arbeiten. Die FDP setzt offenbar darauf, die Leerstelle rechts neben der Union zu erobern.

Analyse von Mike Szymanski, Berlin

Gut möglich, dass CDU-Chefin Angela Merkel bald bereuen wird, sich in den Jamaika-Verhandlungen stärker um die Grünen als um die FDP bemüht zu haben. Die Gespräche waren letztlich auch an Eifersüchteleien gescheitert, weil Merkel dem Irrtum erlag, sie hätte mit den Liberalen um Christian Lindner leichte Beute: Wer würde schon der Versuchung widerstehen können zu regieren, gerade wenn er, wie Lindner, so lange nach Einfluss hat lechzen müssen?

Der FDP-Chef hatte seine Partei nach ihrem Absturz 2013 aus der Bedeutungslosigkeit geradewegs an Merkels Sondierungstisch geführt. In einem Jamaika-Bündnis hätte die Kanzlerin ihn zwar sicher nicht zum Freund, aber doch einigermaßen unter Kontrolle gehabt. Jedenfalls wäre alles besser gewesen, als Lindner nun zum Gegner zu haben. Genau so kommt es jetzt, wenn die FDP in die Opposition geht.

Sie hat sich dort noch nicht einmal richtig eingerichtet, da wird ihre Stoßrichtung schon offenkundig. Nach dem Jamaika-Aus betrachtet sie Merkels politisches Ende als eingeleitet, sie bietet sich jetzt schon jenen offensiv als Alternative an, die unzufrieden seien mit der Weiter-so-Politik Merkels. Diese dürfte - wenig überraschend - ihren deutlichsten Ausdruck in einer Neuauflage einer großen Koalition finden, in die sich die Union gerade zu retten versucht.

Tatsächlich hat die Kanzlerin mit dem Scheitern von Jamaika die Chance vertan, sich und ihre Union noch einmal neu zu erfinden. So bleibt die triste Aussicht auf weitere Jahre Schwarz-Rot, in der die weitere Sozialdemokratisierung der Merkel-Union unausweichlich erscheint. Zumal sich die SPD nun erst recht bitten lässt: Bürgerversicherung, Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit, Solidarrente, höherer Spitzensteuersatz - all das will sie durchsetzen.

Lindner hofft, die Leerstelle rechts neben der Union zu erobern

Die Leerstelle, die Merkels CDU rechts der Mitte hinterlässt, droht größer und größer zu werden. Die CSU ist ihrerseits viel zu sehr mit ihren Machtkämpfen beschäftigt, um sie noch glaubhaft ausfüllen zu können. Ihr Versprechen, dass es rechts der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben könne, ist mit dem Einzug der AfD in den Bundestag längst hinfällig.

Lindner wäre in der Politik nicht so weit gekommen, wenn er die Chancen, die sich daraus für eine bürgerlich-liberale Kraft wie seine FDP ergeben, nicht früh erkannt hätte. Er spielt mit dem inszeniert jung-dynamischen Auftreten seiner neuen FDP: Lieber zu viel wollen, als nur Merkel wagen, selbst auf die Gefahr hin, dass die Steuerentlastungspläne der FDP großspurig erscheinen. Als Merkel wegen ihres Umgangs mit der Flüchtlingskrise in die Kritik geriet, setzte er sich von ihr ab. Mit dem Vorschlag für ein Einwanderungsgesetz präsentierte die FDP ein Konzept, das Zuzug nicht allein als Bedrohung, sondern - bezogen auf Fachkräfte - als Chance verstand. Immerhin: ein Plan.

Weil Lindner in den Sondierungen CSU-Positionen zur Begrenzung des Zuzugs noch vertrat, als Seehofer bereit gewesen sein soll, diese zu räumen, wird jetzt versucht, der FDP das Etikett "AfD-light" anzuheften. Richtig ist: Der Grat, auf dem sich die FDP bewegt, ist schmal. Aber bis jetzt hat sie der Versuchung widerstanden, rassistische Ressentiments zu bedienen, und sie hat Brandmauern zur AfD errichtet. Bei der AfD zu wildern würde bedeuten, eigene Anhänger zu verprellen, die in der Mehrheit keine Frustwähler sind. Die FDP ist vom Wesen her keine Protestpartei. Lindner hat auch nicht die AfD im Blick, sondern die Union.

Für seine FDP ermitteln seine Parteistrategen ein Wählerpotenzial von bis zu 20 Prozent. Lindners Chancen, es tatsächlich auszuschöpfen, stehen besser, wenn er gegen Merkel daran arbeitet, anstatt an ihrer Seite.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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