FDP:Lindners Flirt mit dem Populismus

FDP-Chef Christian Lindner spricht im Deutschen Bundestag

Besessen von der Angst für Beliebigkeit abgestraft zu werden, hat Lindner seiner FDP einen Kurs der Rigorosität verordnet.

(Foto: dpa)

Der FDP-Chef möchte möglichst viele Wähler einsammeln, die sich ärgern - sei es über Steuern, die Klimapolitik oder ungeregelte Einwanderung. Dieser Kurs schadet dem Image der liberalen Partei.

Kommentar von Daniel Brössler, Berlin

Was macht eigentlich Christian Lindner? Die Frage lässt sich in diesen Tagen leicht beantworten. Der FDP-Chef ist unermüdlich auf der Suche nach neuen Wählergruppen. Neulich nahm er die Landwirte gegen den angeblich pauschal erhobenen Vorwurf in Schutz, sie seien Tierquäler, Luftverpester und Brunnenvergifter. Soeben hat er gut verdienenden Facharbeitern in der Automobil- und Chemieindustrie eröffnet, sie seien in der FDP besser aufgehoben als bei einer nach links gerutschten SPD.

Auf ähnliche Weise umworben hat Lindner bereits wirtschaftsliberale Anhänger von Friedrich Merz aus der CDU, klimabewusste Gegner grüner Kommandowirtschaft und nebenbei auch noch alle, die finden, dies und das müsse man doch noch sagen dürfen. Christian Lindner hat seine Arme so weit geöffnet, dass zwischen ihnen eine große Volkspartei Platz fände. Was allerdings auch dazu führt, dass die FDP der Wirklichkeit umso kleiner wirkt.

So wenig verwunderlich oder gar verwerflich der Versuch Lindners ist, von der Krise der SPD ein bisschen zu profitieren, so sehr offenbart er eben doch seine eigene Malaise. Der FDP-Chef hat vermutlich zutreffend analysiert, dass nicht alle, ja vielleicht nicht einmal die meisten der Wähler, die die SPD verloren hat, sich eine dezidiert linkere Politik wünschen. Richtig ist sicher auch die Annahme, dass ein Teil der klassischen SPD-Wähler sich gerne als Leistungsträger titulieren lässt und höhere Steuern nicht automatisch gut findet. Bezeichnend aber ist, dass Lindner seinen Lockruf an einstige SPD-Wähler glaubte, mit dem Hinweis verbinden zu müssen, dieser sei kein Witz. Lindner weiß es im Grunde selbst. Solche Aufrufe sind sinnlos, wenn sie nicht zu Image, Anmutung und Botschaft einer Partei passen. Dann bleiben sie ein Gag.

Wenn es aber überhaupt so etwas gibt wie eine Klammer, die Lindners Avancen in unterschiedliche Richtungen verbindet, so ist es das, was er "Mitte" nennt. Dahinter steht die Behauptung, die anderen Parteien machten Politik gegen die Mehrheit, gegen die hart arbeitenden Menschen mit gesundem Menschenverstand. Lindner möchte möglichst viele von denen einsammeln, die sich ärgern - sei es über Windräder, Diesel-Fahrverbote, Steuern, die Kosten der Klimapolitik oder ungeregelte Einwanderung. Dieser vage Flirt mit dem Populismus rückt die FDP nicht gleich in die Nähe der AfD, aber er schadet dem Image einer Partei, deren erklärter Markenkern doch Weltoffenheit und Toleranz sein sollen.

So heben sich die Botschaften der FDP gegenseitig auf, was die Versuche noch verzweifelter wirken lässt, aus jener Defensive zu kommen, in die Lindner seine Partei mit dem Jamaika-Aus geführt hat. Besessen von der Angst, vom Wähler wieder für tatsächliche oder vermeintliche Beliebigkeit abgestraft zu werden, hat Lindner seiner FDP einen Kurs der Rigorosität verordnet, die eigentlich nicht zu einer liberalen Partei passt. Das scheint bislang zu genügen, um die Wählerschaft von 2017 mehr oder weniger zu halten, aber es macht die FDP unattraktiv für viele Bürger, die sich gerade in Zeiten globaler Durchgeknalltheit eine pragmatische, verantwortungsbewusste, unaufgeregte und, ja, auch liberale Politik wünschen. Lindners Mischung aus Rigorosität und Beliebigkeit muss sie abschrecken. Lindners gutes Recht ist, sich den Schwächen der SPD zu widmen. Sein Job aber ist, sich endlich denen der FDP zuzuwenden.

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