FDP-Chef über Gauck-Kür:Rösler spricht freimütig über "dramatisches Zwischenspiel"

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Die FDP feiert, dass sie Joachim Gauck als Präsidentschaftskandidaten durchgesetzt hat. Parteichef Rösler spricht offen über den Abend der Entscheidung - und wie die Union mit dem Ende der Koalition gedroht hat.

Die Kandidatenkür für den neuen Mann im höchsten Staatsamt war schwierig und voller Wendungen - vor allem für die Union, die Joachim Gauck als künftigen Bundespräsidenten akzeptieren musste. Zeit für leise Diplomatie zwischen den Koalitionspartnern, möchte man meinen. Umso erstaunlicher, dass beim Juniorpartner der Koalition wenig Zurückhaltung zu spüren ist.

Stritten sich um die Nominierung des neuen Bundespräsidenten: Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). (Foto: dpa)

FDP-Chef Philipp Rösler bestätigt nun in einem Interview mit der Welt freimütig, dass die Union im Streit um die Nominierung von Joachim Gauck zum Kandidaten für das Bundespräsidentenamt mit der Aufkündigung der Koalition gedroht hat. "Die Möglichkeit, die Koalition zu beenden, ist von der Union mehrfach genannt worden", sagte Rösler.

Die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf das einstimmige Votum des FDP-Präsidiums für Gauck am Sonntagnachmittag sei "scharf" gewesen, so Rösler weiter. Schließlich sei "dieses dramatische Zwischenspiel" aber mit der Zustimmung der Union zu Gauck beendet worden.

Das Vertrauen in der Koalition sei allerdings nicht zerstört, sagte der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister. "Das Vertrauen ist nicht zerstört", erklärte er. "Wir haben in den Gesprächen mit der Union lediglich deutlich gemacht, dass unterschiedliches Abstimmungsverhalten von Koalitionspartnern in der Bundesversammlung nichts Ungewöhnliches wäre." Seine Partei habe 1994 Hildegard Hamm-Brücher sogar gegen den Unions-Kandidaten Roman Herzog ins Rennen um die Präsidentschaft geschickt, ohne dass die damalige Koalition unter Helmut Kohl Schaden genommen habe.

Eine eigenständige Partei wie die FDP habe auch eine eigene Position. Eine funktionierende Koalition meistere "Situationen, wo auch Eigenständigkeit gefragt ist, immer souverän", sagte Rösler weiter.

Auch FDP-Generalsekretär Patrick Döring sieht keinen Vertrauensbruch innerhalb der Koalition. Die Liberalen hätten zu keinem Zeitpunkt die Frage des Präsidentschaftskandidaten mit dem Fortbestand der schwarz-gelben Koalition verbunden, sagte er der Passauer Neuen Presse. Und Entwicklungsminister Dirk Niebel lobte Gauck: "Er ist einfach der beste Mann", sagte er dem Mannheimer Morgen. Zugleich zeigte er Anerkennung für den Sinneswandel der Kanzlerin. "Wer neue Erkenntnisse gewinnt, ist in meinen Augen kein Umfaller." Man habe einen gemeinsamen Kandidaten gefunden, und es sei niemand beschädigt worden. "Es gibt keinen Grund für persönliche Rachegefühle."

Unions-Vize: FDP geht fremd

FDP-Generalsekretär Patrick Döring äußerte Verständnis für emotionale Ausbrüche bei der Union. Die Zusammenarbeit der Koalitionsparteien sehen die Spitzen von Union und Liberalen derzeit nicht als gefährdet an.

Dennoch rumort es weiter in der Union, die sich zunächst mit der Entscheidung anfreunden muss und in der doch mancher nach der empfundenen "Erpressung" auf Revanche sinnt. Unions-Bundestagsfraktionsvize Michael Meister warf der FDP Untreue vor. "Ich finde es beachtlich, dass sich die Liberalen mit SPD und Grünen ins Bett legen", sagte der CDU-Politiker dem Kölner Stadt-Anzeiger. "So weit ich weiß, haben wir noch eine Koalition mit der FDP."

Döring ließ das nicht gelten. "Wenn wir jetzt dafür kritisiert werden, dass wir den Kandidaten unterstützen, der die größte Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger erfährt, ist das schon skurril", sagte er der Passauer Neuen Presse. Einen Vertrauensbruch sehe er nicht. "Es ist schön, wenn man den Partner überzeugen kann", sagte Döring. "In diesem Stil werden wir weiter gemeinsam regieren."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier (CDU), sagte, die Festlegung der FDP auf Gauck sei für die Union unerwartet gekommen und zumindest ungewöhnlich gewesen. Dadurch sei die Zusammenarbeit von Union und FDP aber nicht beschädigt worden. "Die Arbeit der Koalition wird erfolgreich weitergehen", sagte er der Düsseldorfer Rheinischen Post. Auch nach Einschätzung von Südwest-CDU-Chef Thomas Strobl haben die Liberalen "vollkommen überzogen." Eine Wiederholung eines solchen Verhaltens werde es in der Koalition mit Sicherheit nicht geben", sagte er den Stuttgarter Nachrichten.

Das FDP-Präsidium hatte sich am Sonntag für den von SPD und Grünen favorisierten Gauck ausgesprochen, obwohl der Koalitionspartner CDU/CSU deutliche Vorbehalte geäußert hatte. Die Union lenkte später zähneknirschend ein. Gauck ist nun Kandidat aller Bundestagsparteien außer der Linken.

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