Gauck-Nominierung belastet Koalition:Union verübelt FDP "Erpressung" mit Gauck

Nach der Nominierung von Joachim Gauck als Bundespräsident fühlt sich die CDU von den Liberalen verraten - manche in der Union sinnen auf Rache. Aus der CSU heißt es, die Schonzeit für die Liberalen sei vorbei. Doch die Wut zeigt auch die Ohnmacht der Union.

Robert Roßmann

IIn der Union herrscht erheblicher Unmut über das Vorgehen der FDP bei der Auswahl von Joachim Gauck als Präsidentschaftskandidaten. Am Montag wurde das Verhalten des Koalitionspartners bis in die Spitzen von Partei und Fraktion hinein als Erpressung kritisiert. Aus der CSU hieß es, die Schonzeit für die Liberalen sei nun vorbei. Beim Streit um die Vorratsdatenspeicherung und das Urheberrechtsabkommen Acta werde man keine Rücksicht mehr nehmen. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte in Richtung FDP, man sehe sich im Leben immer zweimal.

Gauck soll neuer Bundespräsident werden

Die von der FDP gleichsam erzwungene Gauck-Nominierung sorgt für Rachegelüste in der Union.

(Foto: dpa)

Das FDP-Präsidium hatte sich am Sonntagnachmittag ohne Absprache mit der Union auf Gauck als Kandidaten festgelegt. Kanzlerin Angela Merkel erfuhr aus den Nachrichtenagenturen von dem Votum. Bei einem anschließenden Gespräch der Partei- und Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP im Kanzleramt war Merkel darüber außerordentlich verärgert. "Es ist laut geworden", sagte ein Teilnehmer der Runde. Auf Unionsseite sei vor allem Fraktionschef Volker Kauder in Rage gewesen. Kauder, ein vehementer Vertreter von Bündnissen mit den Liberalen, habe sich von der FDP besonders verraten gefühlt.

Wegen des Beharrens der FDP auf Gauck stand Merkel am Sonntagabend vor der Wahl, entweder doch noch Gauck zu unterstützen oder den Fortbestand der Koalition zu gefährden. Die Kanzlerin entschied sich angesichts der Euro-Krise und der sonstigen Risiken für die Union für den früheren DDR-Bürgerrechtler. Bei einer Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums am Abend teilte sie dieses Votum ihrer Partei mit. In der Schalte habe es "keine überschäumende Freude" über die Entscheidung gegeben, hieß es. Es habe aber niemand den Kurs der Kanzlerin prinzipiell in Frage gestellt. Die Teilnehmer seien über das Verhalten der FDP empört gewesen.

Am Montag bemühte sich die Unionsführung, den Konflikt wieder in geordnete Bahnen zu lenken. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe empfahl, jetzt nicht nachzukarten. In der Fraktionsführung hieß es, den Zorn über die FDP könne man gut verstehen. Zorn sei aber nie ein guter Ratgeber. Es würde der Union nicht helfen, wenn sich die Koalition vor den anstehenden wichtigen Euro-Entscheidungen zerreiße.

Ohnmächtige Wut

Außerdem würde ein offen ausgetragener Konflikt bei den Wahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein nicht nur der FDP, sondern auch der Union schaden. Im Übrigen sei die Wut vieler Unionsmitglieder eine ohnmächtige Wut. So habe man gar keine Chance, die FDP im Streit um die Vorratsdatenspeicherung oder das Acta-Abkommen vorzuführen. Für beide Bereiche sei das FDP-geführte Bundesjustizministerium zuständig. Man könnte die Liberalen bestenfalls beim geplanten Steuerpaket ärgern. In der CDU hofft man deshalb, dass "nur wenige sichtbare Schäden bleiben" und sich "der Groll in den nächsten Wochen legt". Schließlich sei die Rettung des Euro eine wichtigere Angelegenheit als die Auswahl eines Präsidentschaftskandidaten. Gauck sei zwar nicht erste Wahl der Union gewesen, aber durchaus ein respektabler bürgerlicher Kandidat. In der CSU hieß es, "aus der Kröte Gauck könne ja noch ein Entrecôte werden".

Sowohl in der Partei- als auch in der Fraktionsführung der Union wurde am Montag aber deutlich darauf hingewiesen, dass ein Verhalten wie das der FDP vom Sonntag "nicht einreißen" dürfe. Es habe sich um einen "gewaltigen Vertrauensbruch" der Liberalen gehandelt, sagte der stellvertretende Fraktionschef Michael Kretschmer.

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