FDP-Chef Guido Westerwelle:Crashkurs im Auswärtigen Amt

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Das Internationale war bisher nicht seine Herzensangelegenheit. Für seine neue Aufgabe als Außenminister braucht Guido Westerwelle deshalb kompetente Ratgeber.

Daniel Brössler

Das Gespräch dauerte länger als erwartet. Eine Stunde nahm sich Sergej Iwanow, erster Vize-Ministerpräsident Russlands, für den Oppositionspolitiker aus Deutschland Zeit. "Weit über Protokoll" fühlte sich FDP-Chef Guido Westerwelle im April in Moskau empfangen. Die russischen Gastgeber waren neugierig. Von ihren Deutschland-Experten wussten sie zudem, dass es nicht schaden könne, dem Mann zu schmeicheln, der als künftiger Außenminister gehandelt wird. Nach dem Sieg von Schwarz-Gelb dürfte der Fall nun eingetreten sein. Als fast sicher gilt, dass Westerwelle im neuen Kabinett das Außenamt übernimmt.

In dem großen Bau am Werderschen Markt in Berlin, aber auch in der Gemeinde außenpolitischer Experten, wird das mit einiger Spannung erwartet, denn der Liberale betritt Neuland. Eine besondere Neigung zur Außenpolitik hat Westerwelle lange kaum erkennen lassen. In der FDP überließ er sie meist Experten wie Werner Hoyer, dem früheren Staatsminister im Auswärtigen Amt. Erst in den vergangenen Monaten versuchte er, durch Reisen wie jene nach Moskau, durch Reden und durch Interviews sein außenpolitisches Profil zu schärfen.

Auf Anhieb gelungen ist das nicht. "Seine öffentlichen Äußerungen über Außenpolitik waren oft ein bisschen vage und manchmal widersprüchlich", urteilt Katinka Barysch vom Londoner Center for European Reform. Wohlwollend wird indes zur Kenntnis genommen, dass Westerwelle Kontinuität in der deutschen Diplomatie verspricht. Einen deutlichen eigenen Akzent setzte er bisher nur in Rüstungsfragen. "Es ist Zeit für eine Renaissance der Abrüstungspolitik", verkündete er in einer Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und forderte den "Abzug der verbliebenen taktischen US-Nuklearwaffen aus Deutschland".

Damit ist bereits der erste außenpolitische Konflikt in der neuen Koalition vorgezeichnet. Die CDU/CSU nämlich will dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama erst einmal Zeit geben, seine neue Nuklearpolitik zu formulieren.

Auch die Nahostpolitik der Liberalen wird in der Union skeptisch beurteilt. Kein Verständnis hat der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Eckart von Klaeden, dafür, dass die FDP den von allen Konfliktparteien gewünschten Unifil-Einsatz der Bundeswehr vor der libanesischen Küste immer wieder abgelehnt hat. Erwartungen an eine große außenpolitische Harmonie mit dem neuen Koalitionspartner dämpft Klaeden. "Die Zusammenarbeit mit der FDP wird nicht in jedem Fall einfacher werden", warnt er. Einstellen muss sich Westerwelle auch auf die traditionellen Kompetenzrangeleien mit dem Kanzleramt - und auf einen Platz im Schatten von Angela Merkel auf der internationalen Bühne.

Der Mann wird also Rat brauchen, und einer, der ihn gerne erteilt, ist Westerwelles Vorgänger und Vorbild Hans-Dietrich Genscher. Schon jetzt klingt für Insider "Genscherismus" durch, wenn Westerwelle zum Beispiel über Russland spricht. Ganz im Sinne Genschers warnt Westerwelle davor, sich von Russland abzugrenzen und wirbt für eine möglichst umfassende Partnerschaft. Die rechtsstaatlichen Defizite in Russland seien ihm bekannt, versichert Westerwelle.

Der Fall des seit Jahren inhaftierten einstigen Milliardärs und Kreml-Kritikers Michail Chodorkowskij aber scheint Westerwelle weit weniger zu bewegen als etwa seine Parteifreundin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die als Justizministerin im Gespräch ist. Leutheusser-Schnarrenberger hat die Prozesse gegen Chodorkowskij wiederholt als politisch motiviert gebrandmarkt.

Kein Kulturschock

Wenn alles nach Plan läuft und Westerwelle in naher Zukunft sein Büro im Auswärtigen Amt bezieht, erwartet ihn dort erst einmal höfliche Zurückhaltung. Anders als bei der Ministerwerdung des Grünen Joschka Fischer 1998 müssen die Beamten keinen Kulturschock verarbeiten. Einige sind auch noch da, etwa unter den älteren Botschaftern, die das Außenministerium als freidemokratischen Erbhof erlebt haben.

Auch im Mittelbau sind etliche vertreten, die zu Zeiten des letzten FDP-Außenministers Klaus Kinkel sozialisiert wurden. Nicht verborgen geblieben ist den Diplomaten, dass das Internationale Westerwelles Herzensangelegenheit bisher nicht war. Sie nehmen es gelassen. Die Einführungsunterlagen werden schon vorbereitet. Der Crashkurs kann jederzeit beginnen.

© SZ vom 30.09.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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