Extremismus:Kretschmer verspricht mehr Härte gegen Rechte

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Wer in Chemnitz den Hitlergruß gezeigt hat, soll vor Gericht kommen, kündigt Sachsens Ministerpräsident an.

Von Henrike Roßbach, Jens Schneider und Constanze von Bullion, Berlin

In Chemnitz hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) einen harten Kurs gegen Rechtsextreme angekündigt. "Wir werden dafür sorgen, dass diejenigen, die mit einem Hitlergruß durch die Stadt gelaufen sind, ebenfalls verurteilt werden", sagte er. Bei einer von Ausschreitungen rechter Gruppen geprägten Demonstration hatten Teilnehmer unbehelligt den Hitlergruß gezeigt. Die sächsische Polizei räumte später ein, dass sie zu wenig Beamte aufgeboten habe.

Zu der Demonstration hatte die rechtsgerichtete Gruppierung "Pro Chemnitz" nach dem Tod eines 35-jährigen Mannes aufgerufen. Er war am Sonntag durch Messerstiche tödlich verletzt worden. Ein Syrer und ein Iraker sitzen deshalb in Untersuchungshaft. Laut Zeitungsberichten hätte der Iraker nach Auskunft des Verwaltungsgerichts Chemnitz bereits im Mai 2016 abgeschoben werden sollen. Dies wäre aber nicht geschehen. Am Donnerstag wurde bekannt, dass der Haftbefehl gegen den Iraker von einem Dresdner Justizvollzugsbeamten fotografiert und verbreitet wurde. Er bekannte sich dazu in einer von seinem Anwalt verbreiteten Erklärung. Das Dokument war danach von rechten Kreisen im Internet veröffentlicht worden. Offenbar fotografierte der Beamte den Haftbefehl mit seinem Handy, als das Dokument nach der Einlieferung des Irakers in die Dresdener Justizvollzugsanstalt noch im Zugangsbereich lag. Gegenüber der Bild-Zeitung gab er an, das Foto Kollegen, Freunden des Opfers und "Pro Chemnitz" geschickt zu haben. Am Mittwoch hätten Polizeibeamte seine Wohnung und die von Kollegen durchsucht, da sei ihm klar geworden, dass er sich offenbaren müsse. Er wurde bereits vom Dienst suspendiert. Die Weitergabe ist strafbar. Am Donnerstag wurde bekannt, dass auch der Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Jan Timke den Haftbefehl auf seiner Facebookseite veröffentlichte. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte seine Wohnung in Bremerhaven und beschlagnahmte sein Handy, einen Computer und ein Tablet. Timke ist Bundespolizist und Mitglied der rechten Wählervereinigung "Bürger in Wut". Sein Dienstverhältnis ruht, solange er in der Bürgerschaft sitzt. Wegen der Vorgänge in Chemnitz steht Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) massiv in der Kritik. "Der Stuhl von Innenminister Wöller ist sehr wackelig geworden", sagte die aus Sachsen stammende Vorsitzende der Linken, Katja Kipping. Wöller müsse glaubhaft aufklären, wie es zur Überforderung der Polizei am Wochenende gekommen sei, andernfalls sei sein Rücktritt "mehr als fällig", sagte sie. Starke Präsenz zeigte die Polizei am Donnerstagabend in Chemnitz. Dort nahm Ministerpräsident Kretschmer an einem Dialog mit 550 Bürgern teil. Kretschmer rief die Chemnitzer zu einer Schweigeminute für den getöteten Deutschen auf und forderte sie auf, sich von Rechtsradikalen zu distanzieren. Eine parallel stattfindende Demonstration von "Pro Chemnitz" mit etwa 900 Teilnehmern wurde von scharfen Polizeikontrollen begleitet.

© SZ vom 31.08.2018 / jsc, Lion, rike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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