Ex-US-Präsident Clinton in Nordkorea:Amerikas letzte Waffe

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Clintons Reise zeigt, für wie gefährlich die USA die Entwicklung in Nordkorea halten. Er macht Kim Jong Il seine Aufwartung, weil nur noch einer wie er an den Diktator herankommt.

Stefan Kornelius

Die USA müssen in außergewöhnlicher Sorge um Nordkorea sein, sonst hätten sie nicht zu einem überraschenden Zeitpunkt den früheren Präsidenten Bill Clinton auf eine Reise geschickt, um dem Diktator die Aufwartung zu machen.

Das Foto zeigt Ex-US-Präsident Bill Clinton neben Diktator Kim Jong Il. (Foto: Foto: AFP)

Sie kommt in Wahrheit einer Aufwertung gleich.

Kim Jong Il erfährt die Behandlung, die er sich seit Jahren wünscht: Ein leibhaftiger amerikanischer Ex-Präsident besucht das kränkelnde Reich und kommt in bittstellerischer Haltung - das macht einen Diktator stark und selbstbewusst.

Sorge wegen US-Journalistinnen

Auch wenn Clinton während seiner Reise nicht öffentlich über deren Inhalte sprechen wird und sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch anschließend einem Schweigegelübde unterwirft, so ist doch sicher, dass seine Sorge nicht allein den beiden amerikanischen Journalistinnen gilt, die während eines Grenzgangs in Nordkorea verhaftet wurden und jetzt dank Clintons Besuch begnadigt wurden.

Clintons Mission zeugt davon, für wie gefährlich die USA die Entwicklung in Nordkorea halten. Der Alleinherrscher Kim Jong Il ist sichtbar geschwächt, es häufen sich ernstzunehmende Berichte, wonach er unheilbar erkrankt sei.

Sollte er abtreten müssen oder gar sterben, dann könnte das nordkoreanische Machtvakuum zu einem Krieg auf der Halbinsel führen, der wegen der Atombewaffnung unkalkulierbar sein würde.

Befürchtet werden muss außerdem, dass Nordkorea nicht nur seine Kenntnisse über den Bombenbau an andere verkauft, sondern auch den Sprengsatz selbst oder zumindest eine schmutzige Bombe. Abnehmer dafür gäbe es genug auf der Welt.

Ein versteckter Hilferuf

Die chinesische Führung hat in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, dass ihr Einfluss auf Nordkorea begrenzt ist. Das ist ein bemerkenswertes Eingeständnis und ein versteckter Hilferuf. Auch deshalb wird sich Clinton auf den Weg gemacht haben. Wenn der Diktator in Nordkorea schon nicht mehr auf Peking hört, vielleicht hat dann das Objekt seiner lebenslangen Fixiertheit - die Figur eines amerikanischen Präsidenten - noch eine letzte Chance, Vernunft und Zugang einzufordern.

Clinton tritt eine derart bedeutende Reise - die erste große Mission seit Ende seiner Amtszeit - nicht ohne das Einverständnis von Präsident Barack Obama an. Er kann sie nicht antreten, ohne die Rolle seiner Frau Hillary, der amerikanischen Außenministerin, in sein Kalkül einzubeziehen. Clinton kann also als Emissär der amtierenden Regierung betrachtet werden, bei der es ja nicht mangelt an Sondergesandten. Clinton ist nun sicherlich der prominenteste von allen. Kein Präsident vor oder nach ihm war in dem komplizierten Spiel um Strafe und Belohnung gegenüber Nordkorea so erfolgreich wie Bill Clinton.

Während seiner Amtszeit näherten sich die beiden Staaten einander an, Clintons Freund, Energieminister Bill Richardson, war häufiger Gast in Pjöngjang, die damalige Außenministerin Madeleine Albright war die letzte hochrangige amerikanische Besucherin in Nordkorea. Clinton selbst wollte zum Ende seiner Amtszeit schon einmal in das Land reisen. Daraus wurde nichts mehr.

Heute sind die Verhältnisse verfahren. Mit zwei Nukleartests und ungezählten Raketenstarts hat das Regime gezeigt, dass es seinen letzten Kampf um Aufmerksamkeit und Selbstbehauptung führt. Umgeben von prosperierenden Staaten, verharrt der archaische Herrscher in seiner Angststarre, und mit jedem Tag wächst die Gefahr des Kollapses von innen, gefolgt von einem Behauptungskampf rivalisierender Fraktionen.

Clinton wird dem Regime kaum klarmachen können, in welch auswegloser Lage es steckt. Aber er kann den erstarrten politischen Prozess in Bewegung bringen, mit dessen Hilfe der Sturz des Staates vielleicht noch aufgefangen werden kann. Amerika schickt seine früheren Präsidenten üblicherweise auf die schwierigsten Missionen.

© SZ vom 05.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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