Europaparlament:Elmar Brok verzichtet

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Nach fast 40 Jahren zieht sich Elmar Brok aus dem EU-Parlament zurück. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Doch keine Kampfkandidatur: Der dienstälteste Europaabgeordnete und CDU-Politiker will nicht mehr zur Europawahl antreten.

Von Matthias Kolb, Christian Wernicke, Brüssel/Düsseldorf

Jean-Claude Juncker kennt sich mit der Macht in Europa aus wie kein Zweiter. "Er ist der einflussreichste deutsche Abgeordnete", sagte der Chef der EU-Kommission kürzlich über den CDU-Politiker Elmar Brok, der seit 1980 dem Europaparlament angehört. Dass Juncker sein Lob über die Bild-Zeitung verbreitete, unterstreicht nicht nur, wie gut der 72-jährige Brok vernetzt ist, sondern auch dessen Kampfgeist. Brok hatte überlegt, sich am Samstag mit einer Kampfkandidatur bei der Landesvertreterversammlung der NRW-CDU einen aussichtsreichen Listenplatz zu sichern - und Bild lesen auch die Delegierten.

Der Showdown fällt nun aus, denn der nicht nur in Junckers Augen Unverzichtbare zieht sich aus privaten Motiven zurück. Er habe sich vergangene Woche, als seine Frau einen runden Geburtstag gefeiert habe, gegen eine Kandidatur entschieden, sagte Brok der SZ: "Wie viel Zeit habe ich noch, meiner Familie zurückzugeben, was ich 45 Jahre versäumt habe?" Er habe sich zwar Siegchancen ausgerechnet, aber der dreifache Vater will künftig Herr des eigenen Terminkalenders sein: "Ich fühle mich frei und glücklich."

Schon vor einem Jahr habe er ans Aufhören gedacht, sagt Brok, doch angesichts seiner Funktion als Brexit-Beauftragter der Europäischen Volkspartei habe er sich zu einer weiteren Kandidatur "belatschern" lassen. Als langjähriger Chef des Auswärtigen Ausschusses kennt der Ostwestfale mit dem Schnauzbart die Handynummern vieler Regierungschefs, er hat das EU-Parlament bei allen Beratungen über neue Verträge vertreten sowie unzähligen Medien im In- und Ausland die Europapolitik erklärt. Brok hat viele Karrieren angeschoben und einige auch verhindert.

Es ist nicht ohne Ironie, dass die "graue Eminenz" des Brüsseler Politbetriebs am Gekungel der acht Bezirksverbände der NRW-CDU scheiterte. Zunächst wurde er vom Landesvorstand auf den sicheren Listenplatz 6 gesetzt. Weil jedoch der Bezirk Niederrhein für die abendliche Sitzung eine Kampfkandidatur um diesen Platz angekündigt hatte, wollte Ministerpräsident Armin Laschet als CDU-Landeschef den Herz-Jesu-Europäer Brok schützen und auf Platz 4 befördern. Überraschend lehnte Brok ab. Sein Motiv? Er befürchtete einen Gegner aus dem starken Bezirk Ruhr und wollte zudem ein "Zeichen des Generationswechsels" setzen, indem er sich mit Platz 6 begnügte. Doch Undank war der Geste Lohn: Brok verlor mit 20 zu 17 Stimmen.

Zwei Wochen lang, so versichern CDU-Granden, habe man nach einer "Brücke für Elmar" gesucht. Sondiert wurde sogar die Idee, Brok nachträglich auf den ersten Listenplatz zu hieven. Dies hätte einen Aufruf aller anderen CDU-Europaabgeordneten verlangt, die sich auf den Plätzen eins bis fünf um eine Wiederwahl bewerben - und die sich laut Peter Liese, dem aktuellen Spitzenkandidaten der NRW-CDU, doch alle Broks Wiederkehr wünschten. Der Plan ging nicht auf, denn, so Liese zur SZ: "Elmar Brok hat mir persönlich gesagt, er wolle nicht Spitzenkandidat sein." Und nach SZ-Recherchen genügte die Liebe zum Veteranen nicht bei allen fünf Kollegen, um für ihn einen Platz zurückzurücken. Liese bleibt also nur der Nachruf: "Ich bedauere die Entscheidung von Elmar Brok, aber ich respektiere sie."

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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