Seit Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sich am Mittwoch zum Aus des Euro Hawk s erklärt hat, geht es vor allem um die Frage, wann er wie viel von den Problemen wusste. Während die Opposition ihn der Lüge bezichtigt, beharrt er darauf, dass es keine Widersprüche in seinen Aussagen zu dieser Frage gebe. Tatsächlich aber hat er sich auf widersprüchliche Weise dazu eingelassen.
Mittwoch, 15. Mai
Seit einem Tag ist das Aus des Euro Hawks öffentlich, de Maizière tritt im Haushaltsausschuss auf. Dem in indirekter Rede gehaltenen Kurzprotokoll zufolge sagt er dort, 2011 hätten sich "Schwierigkeiten bei der luftrechtlichen Zulassung" offenbart. "Diese Schwierigkeiten, von denen man im November/Dezember 2011 erfahren habe, seien kein Grund gewesen, das Probesystem abzubrechen. Vielmehr habe man versucht, die Probleme mit angemessenem Aufwand zu lösen." Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner sagt dazu später, er könne sich "genau erinnern, dass in diesem Satz das Wort ,wir' fiel". Es folgen drei Wochen des Schweigens, die sich der Minister für die Aufarbeitung ausbittet.
Mittwoch, 5. Juni
Thomas de Maizière gibt im Verteidigungsausschuss seine Erklärung ab, die er mehrmals wiederholt, auch öffentlich: Von Zulassungsproblemen habe er erstmals bei einer allgemeinen Besprechung am 1. März 2012 gehört. Sie seien ihm aber als "lösbar" dargestellt worden. Er gibt zudem an, am 13. Mai 2013 über die Ausstiegsentscheidung in Kenntnis gesetzt worden zu sein, die zuvor seine Staatssekretäre Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf getroffen hätten. Er habe sie nur noch gebilligt.
Zuvor, also nach der Besprechung am 1. März 2012, habe es "keine Vorlage an den Minister mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme oder überhaupt zum Gesamtproblem" gegeben. Da er andere Formen der Information nicht erwähnt, setzt sich öffentlich der Eindruck fest, er sei nach dem 1. März 2012 nicht mehr informiert worden und habe dann erst am 13. Mai 2013 vom Ernst der Lage erfahren. De Maizière tritt diesem Eindruck zunächst nicht entgegen.
Donnerstag, 6. Juni
Der Donaukurier berichtet, bei einem Redaktionsbesuch am 7. Mai 2013, eine knappe Woche vor der Entscheidungsvorlage, habe de Maizière schon über das mögliche Aus gesprochen. Auf die Frage, ob wie geplant fünf Exemplare des Euro Hawk s beschafft würden, sagte er: "Im Moment sieht es nicht so aus."
Am späten Abend verschickt das Ministerium dann eine Pressemitteilung, in der es betont, dies widerspreche nicht den bisherigen Aussagen des Ministers. Schließlich habe es keine "an ihn gerichtete Vorlage" gegeben. Das Ministerium erklärt nun, die Aussagen beim Donaukurier beruhten auf "Hintergrundinformationen", wie sie de Maizière am 1. März 2012 "sowie auch später erhalten hat".
Freitag, 7. Juni
Der Minister reagiert auf die Aufregung, die der Bericht ausgelöst hat, und erklärt, er habe "durchaus etwas von Problemen beim Euro Hawk gewusst". Entscheidend sei, "ob es unlösbare Probleme waren". Davon aber habe er erst im Mai erfahren.
Samstag, 8. Juni
Die SZ berichtet über die Vorabfassung des Kurzprotokolls von der Sitzung des Verteidigungsausschusses am Mittwoch. Diesem in indirekter Rede gehaltenen Dokument zufolge ist de Maizière hinter verschlossenen Türen weiter gegangen als öffentlich: Es gebe verschiedene Möglichkeiten, ihn zu informieren - entweder durch eine Vorlage oder dadurch, "dass ein Staatssekretär zu ihm komme und ihm etwas vortragen wolle" - oder, so der Minister laut Protokoll, "durch eine Erörterung in der Leitungsrunde" des Ministeriums. Beim Thema Euro Hawk sei nichts davon geschehen. Stattdessen, so wird er zitiert, sei die Besprechung am 1. März 2012 "der einzige Zusammenhang gewesen, in dem er vor der Entscheidungsvorlage mit dem Thema Euro Hawk befasst worden sei".
Das steht in Widerspruch zu der Aussage, de Maizière sei auch nach dem 1. März 2012 informiert worden. Als die Zitate bekannt werden, verschickt das Ministerium aber eine Pressemitteilung, in der es diesen Widerspruch bestreitet. Es habe, wird nun erklärt, "Informationen aus Anlass verschiedener Gespräche, beispielsweise mit der Industrie, gegeben". Sie seien aber "allgemein gehalten" gewesen.
Nun ist nicht mehr davon die Rede, der Minister sei nicht "befasst worden" - stattdessen heißt es in der Erklärung: "Entscheidungen in einem Ministerium werden auf der Grundlage von Entscheidungsvorlagen getroffen und nicht auf der Grundlage von Flurfunk, Randgesprächen oder Zurufen. Sie werden ebenso nicht auf der Grundlage von Hintergrundpapieren getroffen." Sollte solch ein Papier also auftauchen, ist die nächste Verteidigungslinie bereits eingezogen.