EU-Kommission:Ein Denkzettel für Macron

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Der französische Präsident Emmanuel Macron (Foto: AFP)

Dass das Europäische Parlament Sylvie Goulard blockt, zeigt, wie die Ansprüche an Integrität gestiegen sind. Die Reaktion von Frankreichs Präsident verheißt wenig Gutes für von der Leyen.

Kommentar von Matthias Kolb

Auf spektakuläre Art lässt das Europaparlament seine Muskeln spielen. Erstmals blockiert es einen Kandidaten für die EU-Kommission aus einem großen Mitgliedsland. Die Zweifel an der Integrität von Sylvie Goulard waren zu groß. Als EU-Abgeordnete hatte die Französin Zehntausende Euro von einem Thinktank kassiert. Dies war legal, kann also letztlich nur bedeuten, dass sie entweder ihr Mandat vernachlässigt oder ein unverschämt hohes Salär kassiert hat.

Goulard beherrscht vier Fremdsprachen perfekt und sie kann in keiner überzeugend erklären, wieso sie 2017 wegen einer Affäre um Scheinbeschäftigung in ihrer Partei als Ministerin in Paris abtrat, aber die gleiche Causa trotz laufender Ermittlungen kein Hinderungsgrund für einen Job in Brüssel sein soll. Da sie für das Megaressort Binnenmarkt vorgesehen war, sind höchste Maßstäbe angemessen. Es ist richtig und wichtig, dass die Europaabgeordneten höhere Ansprüche an künftige EU-Kommissare stellen - und ebenso folgerichtig sollte die Höhe der Nebeneinkünfte für die EU-Parlamentarier begrenzt werden, wie die Grünen das fordern.

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Von Matthias Kolb

Das Veto als Rache Manfred Webers an Emmanuel Macron zu interpretieren, weil der Franzose ihn als Kommissionschef verhinderte, greift zu kurz. Die Ablehnung war mit 82 zu 29 Stimmen überwältigend. Fakt ist: In Brüssel gibt es sehr viele, die Macron per Denkzettel zeigen wollten, dass Einzelkämpfer wie er Europa nicht weiterbringen und auch ein französischer Präsident die Volksvertreter ernster nehmen sollte.

Macrons Reaktion ist ähnlich spektakulär: Er gibt Ursula von der Leyen die Verantwortung, weil sie Goulard unter mehreren Namen ausgewählt habe, obwohl er auf die laufenden Ermittlungen wegen der Affäre um Scheinbeschäftigung hingewiesen habe. Dass man im Élysee wütend ist, dass Frankreich nun in einer Reihe mit Ungarn und Rumänien steht, mag verständlich sein. Es ist aber dennoch kleinlich von Macron, die Schuld am Scheitern der eigenen Kandidatin abwälzen zu wollen. Wenn er die politische Brisanz so früh erkannte, dann hätte er Goulard nicht nominieren dürfen.

Für die designierte Kommissionschefin verheißt dieser Tag dennoch wenig Gutes. Macrons Aussage könnte ein Vorgeschmack sein auf künftige Konflikte mit Paris - und die Entscheidung des stärker zersplitterten Europaparlaments zeigt, wie schwer es für Ursula von der Leyen künftig sein dürfte, Mehrheiten für die drängenden Fragen der Zukunft zu bilden.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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