EU-Haushalt:Ungarn oder Polen haben noch eine Blockademöglichkeit

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1074 Milliarden Euro will die EU von 2021 bis 2027 ausgeben. (Foto: dpa)

Der neue Haushalt für die EU steht. Kann nun bald Geld aus dem 750 Milliarden Euro umfassenden Corona-Hilfstopf fließen? Eine Hürde wartet noch.

Von Björn Finke, Brüssel

Ein paar Milliarden Euro mehr reichten am Ende für eine Einigung: Am Dienstag beendeten Europaparlament und Mitgliedstaaten ihren Streit um den sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), den groben EU-Etat für die sieben Jahre von 2021 bis 2027. Wichtige EU-Programme wie Erasmus zum Studentenaustausch werden aufgestockt, um insgesamt 15 Milliarden Euro für diesen Zeitraum. Das war eine Kernforderung der Abgeordneten, ohne deren Zustimmung das Zahlenwerk nicht in Kraft treten kann. Allerdings hatten die Politiker zu Beginn der zähen Gespräche, vor fast elf Wochen, mehr als 100 Milliarden Euro extra verlangt. Insgesamt umfasst der MFR 1074 Milliarden Euro, plus 750 Milliarden Euro für den Corona-Hilfstopf.

Der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen, einziger Deutscher im sechsköpfigen Verhandlungsteam des Parlaments, sagte, die Abgeordneten hätten "um jede Milliarde gekämpft" und den "Haushaltsdeal deutlich zukunftsorientierter gemacht". Ihr Gegenüber war der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß. Da Deutschland im Juli die Ratspräsidentschaft übernommen hat, vertrat er alle 27 Mitgliedstaaten.

Die Einigung mit dem Parlament ist allerdings nicht die letzte Hürde, bevor Haushalt und Corona-Hilfsfonds wirksam werden können. Kommende Woche, vermutlich am Montag, wird Clauß den Kompromiss mit dem Parlament den anderen 26 EU-Botschaftern zur Abstimmung vorlegen. Gleichzeitig soll über den Rechtsstaats-Mechanismus abgestimmt werden, auf den sich Clauß und Parlamentsvertreter bereits vergangene Woche geeinigt haben. Drittens müssen die Botschafter den sogenannten Eigenmittelbeschluss billigen, der den Weg dafür freimacht, dass die EU-Kommission für den Corona-Topf im großen Stil Schulden aufnehmen darf. Doch dieses Votum wird wohl nicht am Montag stattfinden, sondern später.

Für den Eigenmittelbeschluss braucht es Einstimmigkeit

Denn hier könnten Polen und Ungarn Ungemach bereiten. Die Regierungen beider Staaten lehnen den mit dem Parlament ausgehandelten Rechtsstaats-Mechanismus ab. Die Klausel soll der Kommission erstmals die Möglichkeit geben, EU-Fördergelder zu kürzen, wenn im Empfängerland der Rechtsstaat nicht funktioniert. Und gegen Polen und Ungarn laufen schon EU-Verfahren wegen Sorgen um den Rechtsstaat. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán droht daher sein Veto beim Eigenmittelbeschluss an. Für den ist - anders als bei der Rechtsstaats-Klausel - Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten nötig; zudem müssen danach noch die meisten nationalen Parlamente diesem Beschluss zustimmen.

EU-Diplomaten und Europaparlamentarier äußerten aber Zweifel daran, dass es Budapest und Warschau tatsächlich wagen würden, den Eigenmittelbeschluss und damit den Start des Corona-Fonds zu blockieren. Ob sie recht behalten, wird sich sehr bald zeigen. Clauß zumindest sagt, er hoffe, "dass jeder den Ernst der Lage versteht: Niemand braucht neue Hürden und weitere Verzögerungen".

Kein Zweifel herrscht hingegen daran, dass die EU-Botschafter die Einigung vom Dienstag über den MFR abnicken werden. Dass sich die Verhandlungen seit Ende August hinzogen, lag an der Forderung der Abgeordneten, das Gesamtvolumen des Sieben-Jahres-Etats zu erhöhen. Diese 1074 Milliarden Euro sind allerdings Ergebnis des historischen Gipfeltreffens im Juli, und Botschafter Clauß betonte stets, dass es keinen neuen Gipfel geben werde, um hier etwas zu ändern. Der Kompromiss sieht jetzt vor, die Summe nicht anzufassen, aber trotzdem 15 Milliarden Euro zusätzlich für bestimmte EU-Programme aufzutreiben. 2,5 Milliarden Euro stammen aus Puffern des MFR. Das Geld sollte ursprünglich nicht verplant werden, um bis 2027 besser auf Entwicklungen reagieren zu können. Jetzt werden die Mittel doch zugeteilt - entsprechend unflexibler wird der Haushalt.

Die fehlenden 12,5 Milliarden Euro steuern die Mitgliedstaaten bei - durch Verzicht. So sollen Strafen, die Unternehmen in Wettbewerbsverfahren an die EU-Kommission zahlen, nicht an die Staaten ausgeschüttet werden. Das soll elf Milliarden Euro bringen. Die übrigen 1,5 Milliarden Euro ergeben sich daraus, dass Mittel, die in Programmen nicht abgerufen wurden, im EU-Etat verbleiben und nicht an die Regierungen zurückfließen.

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:Das Europaparlament hätte sich nachgiebig zeigen sollen

Anstatt eine unwahrscheinliche Aufstockung des Etats zu fordern, hätten die Abgeordneten mehr Zugeständnisse bei wichtigeren Themen verlangen sollen - zum Beispiel in der Frage, wie das Geld aus dem Corona-Hilfstopf ausgegeben wird.

Kommentar von Björn Finke, Brüssel

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