EU-Austritt:Mays Kabinett stimmt für Brexit-Entwurf

A still image from a video footage shows Britain's Prime Minister Theresa May speaking during Prime Minister's Questions in the House of Commons, in central London

Theresa May wirbt im britischen Parlament für ihren Brexit-Kurs.

(Foto: REUTERS)
  • Das Kabinett von Premierministerin May hat sich hinter den Brexit-Entwurf gestellt.
  • Das verkündete May nach einer mehr als fünfstündigen Sondersitzung.
  • Zuvor hatten konservative Brexit-Hardliner dazu aufgerufen, den Entwurf abzulehnen.

Das britische Kabinett hat den Entwurf für das Brexit-Abkommen mit der EU gebilligt. Das teilte Premierministerin Theresa May nach einer etwa fünfstündigen Sitzung mit ihren Ministern in London mit. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, vor allem mit Blick auf die umstrittene Irland-Frage. May sprach dennoch vom bestmöglichen Abkommen, das habe ausgehandelt werden können. Kurz nach Mays Ansprache veröffentlichte die EU den 585-seitigen Entwurf.

"Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen, aber ich glaube, es ist eine Entscheidung, die zutiefst im nationalen Interesse ist", sagte May vor ihrem Regierungssitz. Vorausgegangen sei eine "lange, detaillierte und leidenschaftliche" Debatte. Mit Blick auf das britische Parlament betonte die Regierungschefin: "Das ist ein Beschluss, der einer intensiven Prüfung unterzogen wird, und das ist genau, wie es sein sollte, und vollkommen verständlich."

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sieht die Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien fast am Ziel, nachdem das britische Kabinett den Entwurf für das Abkommen gebilligt hat. Er sehe genügend Fortschritt, um die Verhandlungen nun zu beenden, schrieb Juncker am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter.

Ähnlich äußerte sich Michel Barnier, der Unterhändler der EU in den Brexit-Verhandlungen. Er sagte, der Entwurf sei ein entscheidender Schritt, um die Brexit-Verhandlungen abzuschließen. Die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Staaten hatten auf diese Bekanntmachung von ihm gewartet, um ein Gipfeltreffen einzuberufen. Ein solcher Gipfel könnte der irischen Premierminister Leo Varadkar zufolge am 25. November stattfinden.

Das Abkommen bringe die notwendige Rechtssicherheit für alle Beteiligten über die Konsequenzen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union, sagte Barnier. Er gab bekannt, dass die Übergangsphase bis zur vollen Wirksamkeit des Brexits "für einen begrenzte Zeitraum" verlängert werden kann und das Papier eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland verhindert. Das britische Parlament, so sagte Barnier, müsse nun Verantwortung übernehmen.

Sollten nun auch die Regierungschefs der 27 verbliebenen EU-Länder zustimmen, wäre der Weg frei für eine Abstimmung über das Abkommen im britischen Parlament. Dort formiert sich jedoch parteiübergreifender Widerstand gegen den Entwurf. Ob die Regierung eine Mehrheit erreichen kann, scheint zweifelhaft. Umstritten ist vor allem die Lösung für die Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden sollen. .

Die Europäische Union besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen auf der irischen Insel geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist.

May droht weiterhin Ungemach

Der nun getroffene Kompromiss sieht Berichten zufolge vor, dass Großbritannien im Notfall zunächst als Ganzes in der Europäischen Zollunion bleibt. Trotzdem scheinen für Nordirland einige weitergehende Bestimmungen vorgesehen zu sein. Das dürfte vor allem die DUP auf die Barrikaden bringen, die sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands sträubt. Zudem fordern die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen.

Auch von anderer Seite droht May Ungemach. Die Brexit-Gegner im Parlament hoffen, eine Niederlage Mays könnte zu einem zweiten Brexit-Referendum und so zum Verbleib des Landes in der EU führen. Die Labour-Opposition rechnet sich Chancen auf eine Neuwahl aus.

Bei einer Fragestunde im Parlament vor der Kabinettssitzung hatte May das Abkommen verteidigt. Es sei ein "guter Deal" für Großbritannien. Mays Parteifreund und Brexit-Hardliner Peter Bone warnte hingegen, sie werde "die Unterstützung vieler konservativer Abgeordneter und Millionen von Wählern verlieren". Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit schweren Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May.

Nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, verhindert das Abkommen nur das Schlimmste. "Aber es bleibt dabei: Auch dieser Deal ist schlechter für Großbritannien als die volle EU-Mitgliedschaft."

Mehrere britische Medien spekulierten unterdessen unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen May. Für einen solchen Antrag wären entsprechende Briefe von 48 Tory-Parlamentariern notwendig. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass May ein Misstrauensvotum verlieren würde.

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