Ergebnis der Grünen:Der Fluch der späten Wahlen

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Die Grünen haben ein prächtiges Jahr hinter sich. Doch nicht nur ihr mäßiges Abschneiden bei den Hamburger Wahlen spricht dafür, dass 2011 sie ernüchtert.

Michael Bauchmüller

Es ist noch gar nicht lange her, da galten die Grünen als das Phänomen der deutschen Parteienlandschaft. Monat für Monat fanden sie neue Anhänger, die Zahl der Parteimitglieder wuchs rasant. Erstmals schienen in Ländern Bündnisse mit der SPD möglich, in denen nicht die Sozialdemokraten, sondern die Grünen den Ministerpräsidenten stellen. Es sind die Phantasien von gestern.

Grünenchef Cem Özdemir versuchte in Berlin das Abschneiden seiner Partei in Hamburg zu erklären. (Foto: dapd)

In Hamburg hat es nun nicht einmal für eine rot-grüne Koalition gereicht, die SPD zog einfach davon. Und die Grünen mögen noch so oft die spezifisch hamburgischen Umstände betonen. Diese Wahl war ein Menetekel für die Partei. Nichts spricht derzeit dafür, dass der Höhenflug von 2010 zum Triumph bei Landtagswahlen 2011 wird. Die Frage ist nur, ob die Grünen den Trend noch wenden können.

Das Problem liegt nur zum Teil bei den Grünen selbst. Im Bundestag leistet die Partei gute, zum Teil herausragende Oppositionsarbeit. Einige ihrer Spitzenkandidaten in den Ländern, seien es Renate Künast in Berlin oder Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, können es mit den jeweiligen Amtsinhabern Wowereit und Mappus locker aufnehmen. Und natürlich ist Wahlkampf für eine kleine Partei immer schwieriger und anstrengender als für eine große, sowohl was die finanzielle als auch die personelle Ausstattung angeht.

Nein, die größten Probleme der Grünen wurzeln derzeit in einer Mischung aus mangelndem Profil und mangelnder Profilierungsmöglichkeit. Noch bis vor wenigen Monaten baute Schwarz-Gelb den Grünen beste Bühnen für den großen Auftritt: längere Atomlaufzeiten im Eiltempo, ein tagelanger Castor-Transport, oder aber Stuttgart 21, das Bahnhofsprojekt mit der Brechstange. Es waren Geschenke an eine Partei, die Atomkraft ablehnt und Bürgerbeteiligung großschreibt. Sie hatten nur einen Makel: Sie kamen zu früh für die Wahlkämpfe.

Jetzt, wo es um Stimmen geht, haben diese Themen ihre Strahlkraft verloren. Es bleiben die Umfragewerte von einst - und eine Partei, die in Teilen längst deren Opfer geworden ist. Denn seit sie auf Wähler in linken genauso wie in bürgerlichen Kreisen hoffen kann, verfolgt sie einen riskanten Kurs des politischen Pragmatismus. Die Grünen als Partei der Vernunft - das ist ehrenwert, aber nicht sonderlich erfolgversprechend.

Hübsch zu beobachten war das bei den Verhandlungen zu Hartz IV. Diese vorerst letzte Bühne, die Schwarz-Gelb der Opposition bot, verließen die Grünen mit dem durchaus berechtigten Hinweis, das Ganze werde kaum vor dem Verfassungsgericht Bestand haben. Nur überließen sie das Rampenlicht der SPD. Sie selber hatten nur viel zu erklären. Ein Punktgewinn? Wohl kaum.

Die Lage ist tückisch. Zwangsläufig wird programmatische Breite auf Kosten der Tiefe, des Profils gehen. Die Grünen wollen es bisher nur nicht wahrhaben, oder zumindest nicht laut darüber diskutieren. Im Gegenteil: Das von Demoskopen attestierte Machbare zwingt zur Disziplin. Diese Disziplin aber verträgt sich schlecht mit Kontroversen, schließlich will die Partei geschlossen auftreten.

Eine Kursänderung so kurz vor den nächsten Landtagswahlen verbietet sich, die Grünen müssen jetzt da durch. Hinter so plakativen Themen wie Atomkraft, Endlagerung oder Stuttgart 21 lugt nun der Bedarf nach Überzeugungsarbeit hervor: Lässt sich wirklich aller Strom ökologisch erzeugen? Warum kann man den Tiefbahnhof nicht verhindern? All das klingt nach Mühe statt nach Glanz. Und zentnerschwer lasten die Erwartungen, die eine von demoskopischen Wasserständen kirre gemachte Öffentlichkeit an die Grünen hegt: Galten sie nicht gestern als neue Volkspartei?

Am Ende könnte die Partei zwar mit Zugewinnen, aber doch mit leeren Händen dastehen. Dann bliebe nur der Trost, dass die Grünen das Zeug haben zu mehr. Und eine Debatte darüber, was sie wollen: Breite oder Tiefe.

© SZ vom 23.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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