USA-Ungarn:Washington bremst Budapest aus

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Reisende mit ungarischem Pass müssen in den USA fortan mit verschärften Kontrollen rechnen. (Foto: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP)

Viktor Orbáns Regierung lässt seit Jahren Pässe an Angehörige ungarischer Minderheiten in anderen Staaten austeilen. Nun verschärfen die USA für sie die Einreiseregeln - aus Sicherheitsbedenken.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die ungarische Regierung war gewarnt. Die jüngsten Maßnahmen der US-Regierung, die jetzt in Budapest hohe Wellen schlagen, sind nicht überraschend gekommen.

Am Dienstag wurde bekannt, dass Ungarns Teilnahme am sogenannten Visa-Waiver-Programm eingeschränkt wird, das Bürgern aus 40 befreundeten Staaten die Einreise in die USA erleichtert. Der amerikanische Botschafter in Budapest, David Pressman, erläuterte dem Onlinemedium Politico den Grund: "Hunderttausende Pässe, welche die ungarische Regierung im Rahmen eines vereinfachten Einbürgerungsprogramms ausgegeben hat, wurden ohne stringente Prüfung der Identität der Empfänger ausgegeben."

Mit der Ausgabe von Pässen wächst die Wählerbasis für den Regierungschef

Einfacher gesagt: Weil die Orbán-Regierung seit Jahren große Teile ungarischer Minderheiten in Ländern wie Rumänien, Serbien oder der Slowakei mit ungarischen Pässen versorgt, um die eigene Wählerbasis auszubauen, haben die USA seit Längerem Sicherheitsbedenken. Laut Daten der ungarischen Regierung leben etwa fünf Millionen Menschen mit ungarischen Wurzeln jenseits der Grenzen, etwa 2,5 Million in den benachbarten Staaten.

Hunderttausende Pässe wurden in den vergangenen Jahren an Angehörige der Minderheiten ausgegeben; seit Jahren ist auch bekannt, dass die Pässe eine beliebte Ware auf dem Schwarzmarkt sind. Auslandsungarn, die mit ungarischen Pässen in die USA einzureisen versuchen, werden daher seit Längerem verstärkt kontrolliert.

Die Sicherheitsbedenken in Washington haben nun dazu geführt, dass Ungarn die Registrierung im Esta-System, das eine visumsfreie Einreise für 90 Tage ermöglicht, nur noch jeweils einmal nutzen können. Die Einschränkung ist nicht nur symbolischer Natur; sie trifft jetzt alle Ungarn, denn die amerikanischen Behörden werden künftig jeden Esta-Antrag noch kritischer prüfen, als sie das schon bisher taten. Das ohnehin schlechte Verhältnis zwischen der rechtsnationalen Regierung in Budapest und der Biden-Regierung in Washington dürfte damit an einem neuen Tiefpunkt angelangt sein.

Auslandsungarn, die mit ihrem ungarischen Pass einreisen wollten, waren schon länger vom Online-Verfahren ausgeschlossen; sie müssen persönlich mit ihrem Pass bei einer US-Botschaft vorsprechen.

Journalisten fanden heraus: Dutzende reisten mit falscher Identität in die USA

Vor fünf Jahren hatte ein Investigativ-Team des ungarischen Online-Mediums direkt.36 und der Washington Post darüber berichtet, dass Hunderte ungarische Pässe offenbar in falsche Hände geraten und teils für Reisen in die Vereinigten Staaten genutzt worden waren. Aufgeflogen war die Sache, als ein Mann mit einem ungarischen Pass bei den bekanntlich besonders strengen Kontrollen der Homeland Security, dem Heimatschutzministerium, an einem Flughafen aufgefallen war - und man dann in der Interpol-Datenbank fündig wurde.

Weitere Recherchen ergaben, dass es sich überwiegend um Pässe handelte, die von der Orbán-Regierung an Mitglieder der ungarischen Minderheit ausgegeben worden waren. 85 Einreiseersuche, so direkt.36 damals, seien unter falscher Identität versucht und vereitelt worden, 65 Personen aber seien durch die Maschen geschlüpft, 30 könne man nicht mehr finden.

Der Artikel erschien damals unter dem Titel "Die USA sind so verärgert über Ungarns Pass-Betrug, dass sie drohen, das Land aus ihrem Visaprogramm zu werfen." Offenbar habe die unkontrollierte Ausgabe ungarischer Pässe an Minderheiten im Ausland ohne ausreichende Identitätschecks seit 2011 dazu geführt, dass Kriminelle den neuen Passinhabern reihenweise ihr wertvolles Dokument abgekauft und weiterverkauft hätten. Schon vor Jahren sei daher Ungarns Teilnahme im Visa-Waiver-Programm offenbar auf den Status "provisorisch" umgestellt worden.

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Alle Warnungen an die Orbán-Regierung, die Kontrollen bei der Passvergabe zu erhöhen und den Missbrauch mit gefälschten Dokumenten, den oberflächlichen Nachweis ungarischer Vorfahren und die Hilfe korrupter Beamter zu unterbinden, haben aber nach Ansicht der US-amerikanischen Behörden nicht dazu geführt, dass der Missbrauch eingeschränkt worden sei. Man sei nun, so Botschafter Pressman, zum Handeln gezwungen, weil sich Budapest weigere, "das Schlupfloch für Missbrauch zu schließen".

Die ungarische Regierung reagierte erwartungsgemäß empört und verbuchte den Schritt der USA als "Rache" an Ungarn für seine Politik. Orbán ist bekennender Fan des Ex-Präsidenten Donald Trump. Der für internationale Medien zuständige Staatssekretär Zoltán Kovács ließ wissen, dass Ungarn "keinesfalls die Daten von Auslandsungarn mit doppelter Staatsbürgerschaft offenlegen" werde, weil das wiederum für diese ein Sicherheitsrisiko bedeute.

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