Am Jahrestag des Aufstandes in Syrien nimmt die Gewalt weiter zu. Aus drei Stadtteilen der Hauptstadt Damaskus werden Gefechte zwischen den Regierungstruppen und oppositionellen Kämpfern gemeldet. In mehreren Ländern sollen Protestaktionen an den Beginn der syrischen Revolution am 15. März 2011 erinnern.
Nicht nur die Aufständischen gedenken des Beginns der Revolution, auch Tausende Anhänger des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad versammelten sich am Donnerstagmorgen auf den Straßen. Sie protestieren gegen den Aufstand, bei dem es sich ihrer Ansicht nach um eine Verschwörung gegen ihr Land handelt. Mit ihrem Protestmarsch wollen sie die Demonstrationen der Assad-Gegner in den Hintergrund drängen. Oppositionelle werfen dem Regime allerdings vor, Menschen zur Teilnahme an Pro-Regierungs-Demonstrationen zu zwingen.
Regierungssoldaten verstärkten am Jahrestag ihre Präsenz in den Oppositionshochburgen, wo Großkundgebungen gegen Assad geplant waren. "Es ist offensichtlich, dass sie die Belagerung aus Sorge darüber verstärkt haben, was die Bevölkerung am Jahrestag vorhat", sagte ein Aktivist in der südlichen Provinz Daraa. "Es sind mehr Soldaten an den Kontrollpunkten und sie nehmen viele Menschen fest." Am frühen Donnerstagmorgen seien Soldaten mit Panzern vorgerückt und hätten Ladenbesitzer verhaftet, sagte ein weiterer Aktivist.
Der Aufstand in Syrien hatte seinen Anfang bei einer kleinen Demonstration in Damaskus genommen, die vor einem Jahr mit Gewalt aufgelöst worden war. Drei Tage später waren in der Provinzstadt Daraa die ersten tödlichen Schüsse auf Demonstranten gefallen. Den Vereinten Nationen zufolge sind seit Beginn der Proteste mehr als 7500 Menschen ums Leben gekommen.
Immer mehr Syrer fliehen in die Türkei
Die an Brutalität zunehmenden Kämpfe in Syrien treiben unterdessen immer mehr Menschen in die Flucht: Innerhalb eines Tages seien rund tausend syrische Flüchtlinge in die Türkei gekommen, teilte ein Sprecher des türkischen Außenministeriums in Ankara mit. Die Gesamtzahl der syrischen Flüchtlinge auf türkischem Boden stieg damit auf 14.700. Weil weitere Flüchtlinge erwartet werden, bauen die türkischen Behörden ihre Auffanglager an der Grenze aus. Nach Presseberichten rechnet Ankara mit bis zu 50.000 Flüchtlingen.
Unter den Neuankömmlingen aus Syrien war dem Ministeriumssprecher zufolge auch ein weiterer General der syrischen Streitkräfte. Damit haben sich mittlerweile insgesamt sieben syrische Generäle in die Türkei abgesetzt. Einige der geflohenen Deserteure kämpfen in der "Freien Syrischen Armee" gegen die Truppen von Staatschef Baschar al-Assad.
23 Opfer eines Hinrichtungskommandos entdeckt
Aus Syrien dringen unterdessen weitere Schreckensmeldungen: Wie Aktivisten in Berufung auf Augenzeugen berichteten, wurden auf einem Feld in der Nähe der syrischen Stadt Idlib 23 Opfer eines Hinrichtungskommandos entdeckt. 19 der Leichen konnten demnach bereits identifiziert werden. Die Männer seien an den Händen gefesselt gewesen und mit einem Kopfschuss getötet worden. Sie seien offenbar von den Regimetruppen nach Beginn der Militäroffensive in Idlib verschleppt und auf dem Gelände eines Bauernhofes im Westen der Stadt verhört und dann hingerichtet worden.
Der Nachrichtensender al-Dschasira veröffentlichte ein Video aus der Ortschaft Duma. Auf dem Band fordern Gegner von Präsident Assad die Freilassung aller aus dem Ort stammenden Gefangenen. Die Bewaffneten drohen, einen angeblich von ihnen gefangengenommenen General der Armee zu töten, falls diese Forderung nicht binnen 72 Stunden erfüllt werden sollte.
Angesichts der anhaltenden Gewalt in Syrien hat Saudi-Arabien seine Botschaft in Damaskus geschlossen. Alle Diplomaten und das Belegschaftspersonal seien aus Syrien abgezogen worden, meldete die amtliche saudische Presseagentur. Das Königreich ist im arabischen Raum einer der führenden Unterstützer der syrischen Rebellen und hat internationale Bemühungen gefordert, um Hilfs- und Waffenlieferungen an die Assad-Gegner zu ermöglichen. Saudi-Arabien ist zugleich der größte Rivale Irans, des wichtigsten Verbündeten von Assad.
Iran hat mittlerweile 40 Tonnen medizinische Hilfsgüter nach Syrien geschickt. Das Material, darunter Medikamente und medizinische Geräte, sei in der Hauptstadt Damaskus dem Roten Halbmond übergeben worden, berichtete die Nachrichtenagentur Irna. Es handle sich um eine "Unterstützung aus Teheran für das befreundete Land", sagte der iranische Botschafter in Damaskus. Mit Blick auf die Oppositionsbewegung sprach er von "terroristischen Akten" gegen das syrische Volk.