Eilantrag:Gericht zwingt Baden-Württemberg zur Lockerung

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Polizeibeamter in Stuttgart bei Verkehrskontrolle zur Einhaltung der nächtlichen Ausgangssperre (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Eine Klägerin aus Tübingen wehrt sich erfolgreich gegen nächtliche Ausgangssperren. Angesichts sinkender Fallzahlen sollen sie nur noch in Corona-Hotspots erlaubt sein. Die landesweite Vorschrift endet bereits am Mittwoch.

Von Claudia Henzler und Wolfgang Janisch, Karlsruhe, Stuttgart

Die sinkenden Inzidenzzahlen führen in Baden-Württemberg zu ersten Lockerungen der Corona-Verordnung. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat auf den Eilantrag einer Klägerin aus Tübingen die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen für rechtswidrig erklärt. Die Vorschrift, wonach zwischen 20 Uhr und 5 Uhr der Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung nur aus triftigen Gründen erlaubt ist, werde von Donnerstag an außer Kraft gesetzt, teilte das Gericht mit. Die Landesregierung will nun keinen Anlauf für eine Neuauflage der Verordnung mehr unternehmen. Nächtliche Ausgangsbeschränkungen sollen fortan nur noch in Hotspots verhängt werden.

Der Beschluss ist eine direkte Reaktion des VGH auf die abnehmenden Infektionsraten. Inzwischen liegen 15 Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg bei der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz unter 50, nur noch vier Kreise über 100. Das Gericht nimmt auf die sinkenden Zahlen Bezug. Interessant und möglicherweise richtungsweisend für andere Bundesländer ist die Entscheidung aber vor allem deshalb, weil der VGH sich eingehend mit den im November geänderten Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes beschäftigt - namentlich mit dem Corona-Paragrafen 28a. Seine Entscheidung bestätigt, was Fachleute vorhergesagt haben: Nach der Reform sind die Hürden für einschränkende Maßnahmen jedenfalls zum Teil höher geworden.

Im maßgeblichen Absatz zu den Ausgangsbeschränkungen heißt es dort, sie seien nur möglich, "soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 erheblich gefährdet wäre". Daraus schließt der VGH: Der nächtliche Lockdown ist nicht bereits dann erlaubt, wenn er irgendetwas zur Pandemiebekämpfung beiträgt, sondern nur dann, "wenn der Verzicht auf Ausgangsbeschränkungen auch unter Berücksichtigung aller anderen ergriffenen Maßnahmen zu einer wesentlichen Verschlechterung des Infektionsgeschehens führe".

Kretschmann hat die Ausgangssperre kürzlich noch verteidigt

Eine durchaus strenge Vorgabe also, die die Regierungen unter einen gewissen Rechtfertigungszwang setzt. Und nicht die einzige. Denn der VGH mahnt zudem an, einen regional differenzierenden Blick auf das Geschehen zu werfen. Landesweite Beschränkungen seien bei einer Inzidenz über 50 zwar zulässig, aber bei den derzeitigen Werten eben nicht zwingend. Deshalb müsse genau begründet werden, warum nicht auch mit regionalen, zielgenauen Maßnahmen eine effektive Pandemiebekämpfung möglich sei.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Ausgangssperre, die eine Stunde früher begann als in Bayern, erst vergangene Woche verteidigt. Sie habe wesentlich dazu beigetragen, dass die Infektionszahlen im Südwesten sehr schnell gesunken sind, sagte er. Dennoch kam das Urteil für die Landesregierung offenbar nicht überraschend. Man habe ohnehin geplant, die landesweite Ausgangssperre am 15. Februar durch regionale Verbote zu ersetzen, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet am Montag. Nun soll die Neuregelung "schnellstmöglich" kommen. Welche Inzidenz als Grenzwert gelten soll, sei noch offen. Man wolle zunächst das VGH-Urteil und die Begründung sorgfältig prüfen.

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