Sie schossen sofort, Soldaten sind darauf getrimmt. "Macht auf, ihr Scheißkerle", riefen die Uniformierten vor dem zweistöckigen Haus in Apodaca bei Monterrey im Norden Mexikos. Und feuerten von außen mit Maschinengewehren gegen die Mauern. Gustavo Acosta löste das Schloss und bat: "Nicht schießen." Er habe keine Waffen. Und es seien Kinder daheim.
50.000 Menschen starben in den vergangenen fünf Jahren im mexikanischen Drogenkrieg.
(Foto: AFP)Doch das Kommando der mexikanischen Marine trat gegen die Tür und jagte ihm mehrere Kugeln in den Kopf. Die großkalibrigen Projektile hinterließen faustgroße Einschläge in der Wand, Acosta, 30, fiel seinem Vater vor die Füße. Es war der 1. September 2011, kurz nach Mitternacht. "Sie haben ihn vor mir umgebracht, es ging so schnell", sagt der Vater, Gustavo Acosta senior. "Sie haben ihn ermordet."
Monate später sitzt der Vater mit seiner Frau María Luján im Büro der Menschenrechtsvereinigung Cadhac im Zentrum von Monterrey, ein ruhiger Mann mit Seehundschnauzer, Augenringen und Krücken. Ihren Jungen können sie ihnen auch hier nicht wiedergeben, der Terror jener Minuten wird sie ein Leben lang begleiten. Das Militär, das sie im mexikanischen Drogenkrieg schützen soll, erschoss vor ihren Augen und denen der jüngeren Geschwister ihr ältestes Kind. Doch die Organisation Cadhac hilft ihnen immerhin, mit dem Schrecken umzugehen und so etwas wie Gerechtigkeit zu suchen.
2006 hatte Präsident Felipe Calderón beschlossen, Truppen in die Schlacht mit den Rauschgiftkartellen zu schicken. Ein Teil der Bevölkerung begrüßte das, doch der Kampf forderte einen hohen Blutzoll: 50.000 Menschen wurden in fünf Jahren niedergemetzelt, obwohl ebenso viele Soldaten und Polizisten im Einsatz sind. "Man muss die Strategie in Frage stellen", findet die Cadhac-Juristin María del Mar Álvarez, ihre Zweifel teilen viele.
Die Auftragskiller der Kartelle morden im Kampf um Märkte und Routen skrupellos - aber der Staat ist bei seiner Gegenwehr bestechlich, und er trifft auch Unschuldige. Die Marine-Einheiten gelten als Profis, dabei sind sie kaum für Polizeiaufgaben geeignet. Die Cadhac-Chefin Consuelo Morales sagt es so: "Die kommen und töten."
Die Methoden erinnern an jene von Todesschwadronen, dabei ist das moderne Mexiko eine Demokratie, Mitglied der G 20, am Wochenende kommt Bundesaußenminister Guido Westerwelle zu einem Treffen nach Baja California. Human Rights Watch gab im November eine Studie unter dem Titel "Weder Sicherheit noch Rechte" heraus.