Rüstungsindustrie:Ein Leipziger Unternehmer und seine dubiosen Geschäfte mit Russland

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Alexander S. Ende Mai vor Gericht in Dresden. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Alexander S. soll über Umwege Labortechnik an die russische Rüstungsindustrie geliefert haben. Vor Gericht legt er ein Teil-Geständnis ab - und darf nun auf eine geringere Haftstrafe hoffen.

Von Antonie Rietzschel, Dresden

Den Gerichtssaal betritt Alexander S. gut gelaunt, er lächelt seine Anwälte an - und hat eigentlich auch allen Grund dazu. Denn der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden ist bereit, mit dem Unternehmer einen Deal einzugehen: Aufhebung der Untersuchungshaft und Verringerung der Haftstrafe, wenn S. gesteht. Er selbst sowie der Generalbundesanwalt haben dieser Übereinkunft zugestimmt.

S. wird vorgeworfen, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben. Der Leipziger Unternehmer soll ab 2017 illegal Labortechnik über ein vom russischen Geheimdienst gesteuertes Netzwerk aus Tarnfirmen an die russische Rüstungsindustrie geliefert und damit Einnahmen von etwa einer Million Euro generiert haben.

Die einzelnen Fälle sind gut dokumentiert. Dem Gericht liegen Emails und Abhörprotokolle von Telefongesprächen vor, in denen S. mit russischen Geschäftspartnern über die Lieferung verschiedener Geräte verhandelt. Der 57-Jährige konnte die entsprechenden Akten vor seiner Einlassung noch mal einsehen, wusste also, dass es vor Gericht nur wenig Raum für Ausreden gibt. Und doch windet er sich geradezu bei der Befragung durch den Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats, der wissen will, ob S. gezielt gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen hat.

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S., der fließend russisch spricht, arbeitete lange in einer Firma für geophysikalische Messsysteme, machte sich später selbständig und unterhielt gute Geschäftsbeziehungen nach Russland. Er lieferte Material und Geräte, die auch russische Rüstungsunternehmen gebrauchen konnten. Doch nach der Annexion der Krim 2014 verbot die EU Militärexporte nach Russland. Erlaubt blieb zunächst die Ausfuhr sogenannter Dual-Güter, die zivil, etwa bei der Energiegewinnung, aber auch militärisch genutzt werden können. Durch die aktuell geltenden Sanktionen ist diese Regelung allerdings hinfällig. Bis zum Beginn des Kriegs in der Ukraine war für die Kontrolle das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) zuständig, das Nachweise über den Verwendungszweck sowie die Käufer verlangte.

"Das Interesse war, dass wir die Lieferungen auch realisieren können"

Es war das Bafa, das Alexander S. vor seinen Geschäftspartnern in Russland warnte. Dazu gehörte eine Universität in Jekaterinburg, die mit Rüstungsfirmen zusammenarbeitet und in Verbindung mit dem russischen Geheimdienst steht. Doch anstatt die Zusammenarbeit zu beenden, versuchte S. sie zu verschleiern. Er legte beim Bafa Zertifikate vor, wonach eine Handschuhlaborbox an ein agrarwissenschaftliches Institut geliefert werde, zur Untersuchung von Molekularproben. Für die Lieferung eines Rührwerkapparats gab S. ein medizinisches Institut an. Bestellt hatte die Geräte aber eben jene Universität in Jekaterinburg, die beim Bafa auf der schwarzen Liste steht.

"Das Interesse war, dass wir die Lieferungen auch realisieren können", sagt Alexander S. vor Gericht. Der Unternehmer stand aufgrund des EU-Embargos unter enormem finanziellen Druck. S. zufolge war manchmal nicht ausreichend Geld auf dem Konto, um die in Russland benötigten Geräte zu bestellen. Obwohl es dafür Vorauszahlungen gab. Dadurch entstanden Verzögerungen bei Lieferungen, S. versuchte seine ungeduldigen Kunden hinzuhalten.

"Das wirtschaftliche Interesse liegt auf der Hand", sagt der Vorsitzende Richter Schlüter-Staats. Für ihn ist jedoch viel wichtiger, ob Alexander S. das Bafa getäuscht hat, um die Aufträge abwickeln zu können. S. bestreitet das. "Mit dieser Zielrichtung bin ich nie vorgegangen", sagt er. Schlüter-Staats liest aus Abhörprotokollen und Emails vor, die belegen, dass S. seine Kunden in Russland selbst angewiesen hat, bestimmte Institute in die Zertifikate einzutragen, um eine Ausfuhrgenehmigung zu erhalten. Darauf angesprochen schweigt S. oder er sagt, er könne sich nicht erinnern.

Er habe keine Lust mehr, Vorhaltungen zu machen, sagt schließlich Schlüter-Staats. Zerknirscht schickt er S. in eine längere Bedenkpause, und fast scheint es, als sei das Lächeln von Alexander S. am Vormittag verfrüht gewesen, der Deal geplatzt. Als Alexander S. wieder im Saal sitzt, gibt er zumindest zu, die tatsächlichen Endabnehmer der von ihm gelieferten Gerätschaften gekannt zu haben. Dass diese letztlich nicht in der Medizin, sondern im Rüstungsbereich zum Einsatz kommen könnten, habe er zumindest in Kauf genommen.

Schlüter-Staats spricht von einem "dürren" Geständnis, trotzdem stehe der Vereinbarung nichts entgegen. Die sieht auch vor, dass der Staatsschutzsenat zwei zentrale Anklagepunkte fallen lässt, nämlich, dass Alexander S. mit dem russischen Geheimdienst zusammengearbeitet und durch seine Lieferungen die Herstellung von chemischen Waffen gefördert haben soll. Ihm drohen maximal 3,5 Jahre Haft.

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