Gleichberechtigung ist ja ganz schön, aber man soll es damit nicht übertreiben. Im Grundgesetz steht das zwar ganz anders und in der Weimarer Verfassung stand das auch anders. Aber so lautete das heimliche Jahrhundertmotto der Politik: Alles mit Maß, und das Maß ist männlich. So war und ist das, seitdem im Jahr 1918 das Frauenwahlrecht eingeführt wurde.
Bitte nicht übertreiben? Das neue Gleichberechtigungs-Gesetz, das die Hansestadt Hamburg in dieser Woche im Bundesrat einbringt, wird von seinen Gegnern als Gleichberechtigungs-Exzess kritisiert werden: Dieser Gesetzentwurf schreibt Geschlechterquoten vor, das heißt realiter Frauenquoten, für die Besetzung der Aufsichtsräte in großen Unternehmen. Ein weiterer einschlägiger Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion will die Quoten auch für Vorstände einführen.
Zu den Gegnern solcher gesetzlich vorgeschriebener Spitzenquoten zählen die jüngeren Frauen in der CDU, Familienministerin Kristina Schröder an der Spitze: Sie will nur die Flexi-Quote, also die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen. Man versteht aber nicht, warum es nicht beides geben soll: die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten für Aufsichtsrat und Vorstand - und die freiwilligen Flexi-Quoten für sonstige Führungspositionen.
Frauen wollen nicht wegen der Quote, sondern wegen ihrer Fähigkeiten ausgewählt werden. Das ist ein Grund für ihre partielle Abneigung gegen gesetzliche Quoten; das ist verständlich, aber falsch: Die gesamte Emanzipationsgeschichte lehrt, dass es ohne konkrete und offensive gesetzliche Hilfe keine Emanzipationsfortschritte gibt. Quotengesetze sind notwendige und probate Hilfsmittel. Nur auf diese Weise ist die Männerquote zu durchbrechen, die in den Vorständen und Aufsichtsräten in Deutschland bei fast hundert Prozent liegt. Selbstverpflichtungserklärungen der Wirtschaft haben hier nicht viel gebracht. Die Karriereleitern für Frauen haben weiter oben keine Sprossen mehr.
Gleichberechtigung ist kein Gedöns, sondern verfassungsrechtliches Gebot. Das Gebot braucht aber gesetzliche Konkretion, weil es sonst als Gedöns abgetan wird. Nur Gesetze schaffen Gleichberechtigung, nicht Absichtserklärungen. Das war in Ehe und Familie so; erst die Scheidungsreform 1977 und das neue Unterhaltsrecht haben hier Gleichberechtigung gebracht. Das ist in der Politik so; erst die flexiblen Quotenregelungen in den Parteien haben die Parlamente weiblicher gemacht.
Das wird bei der Gleichstellung der Frauen in der Wirtschaft nicht anders sein: Es reicht nicht, wenn Frauen theoretisch alles werden dürfen; sie müssen es praktisch werden können. Eine bloß formale rechtliche Gleichbehandlung führt nicht zur Gleichberechtigung, wenn diese formale Gleichbehandlung auf ungleiche Lebenssituationen von Männern und Frauen trifft. Also müssen Frauenfördergesetze einschließlich Quoten aufgelegt werden.