Die verunsicherten Deutschen (3):Das Risiko, eine Idee zu haben

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Wer eine Firma gründet, trifft oft erst auf Vorbehalte - und wird dann von Politik und Banken alleingelassen.

Peter Fahrenholz

An Markus Brehler, Elektroingenieur aus München, lassen sich eine Reihe von Geschichten erzählen. Dass es die kleinen, mittelständischen Firmen sind, die jene neuen Ideen hervorbringen, mit denen das Industrieland Deutschland auch künftig sein Wohlstandsniveau halten kann. Was für eine mühsame Prozedur es ist, bis sich so eine neue Idee durchgesetzt hat, gerade in Deutschland, wo neue Ideen erst einmal skeptisch beäugt werden. Was die Politik tun müsste, um innovativen Mittelständlern wirklich zu helfen, statt ihre Bedeutung immer nur in Sonntagsreden zu rühmen. Und schließlich, dass die aktuelle Finanzkrise auch eine Chance sein kann - weil die Bereitschaft größer ist, altes Denken über Bord zu werfen.

Markus Brehler, Gründer und Geschäftsführer der Firma EnOcean in Oberhaching bei München. Hilfe von Banken und staatlichen Stellen bekam der Neuunternehmer nicht. (Foto: Foto: Robert Haas)

Als Brehler und seine vier Kompagnons vor acht Jahren ihre Firma gegründet haben, gab es nur eine Idee. Sie wurde in ihren Grundzügen bei Siemens entwickelt, und als Siemens das Geschäft mit elektronischen Komponenten aufgab, wagten Brehler und seine Kollegen den Sprung in die Selbständigkeit. EnOcean nannten sie ihre Firma, der Name steht für das Meer an ungenutzter Energie, das es gibt.

EnOcean produziert batterielose Funksensoren. Die winzige Menge an Energie, die etwa beim Betätigen eines Schalters freigesetzt wird, können diese Sensoren in ein Funksignal umwandeln. Damit lassen sich Lichtanlagen steuern, Jalousien, Heizungen - ohne Batterien, ohne teuere Elektroleitungen. Gebäudeautomatisierung heißt das Zauberwort; damit lässt sich viel Energie sparen - und viel Geld. "Gebäude sind die größten Energieverbraucher, wesentlich mehr als der Verkehr", sagt Brehler.

Am Anfang gab es nur diese Idee, es gab kein fertiges Produkt und erst recht keine Kunden. "Wir haben bei null angefangen", erinnert sich Brehler. Das begann bei den Geldgebern. Wer nur einen Plan hat, und mag er noch so gut sein, braucht gar nicht erst zur Bank zu gehen. "Es gibt uns keine Bank einen Kredit."

Die Firmengründer haben ihr eigenes Geld zusammengekratzt, ein bisschen was gab es von Siemens als Starthilfe, der große Rest kam von privaten Investoren. Etwa 20 Millionen sogenanntes Risikokapital stecken inzwischen in der Firma.

Auch der Aufbau eines Kundenstamms war mühsam. Die Newcomer sind auf Fachmessen gefahren und haben dort die Nachbarstände besucht, um im Gespräch Firmen, die sich mit Schaltungen aller Art beschäftigen, von ihren batterielosen Funksensoren zu überzeugen. "Das war Kaltakquise", sagt Brehler und spricht von den "Abwehrreflexen", auf die man stoße, wenn man mit etwas völlig Neuem daherkomme.

Nach zwei Jahren hatte man die ersten vier, fünf Kunden zusammen, heute sind es ungefähr 100. Inzwischen beschäftigt die Firma vor den Toren Münchens bereits 50 Leute in Deutschland und noch mal fünf in den USA. Allein im vergangenen Jahr hat sich der Absatz verdoppelt. Wer sich diese Wachstumsrate vor Augen führt, erkennt, wie groß die Bedeutung von kleinen, innovativen Betrieben für die Jobs der Zukunft ist. "Wir brauchen Tausende solcher Firmen", sagt Brehler.

Er selber hofft, in eineinhalb Jahren endlich in der Gewinnzone zu sein, bis jetzt wird jeder verdiente Cent sofort wieder in die Firma investiert. Geld von den Banken oder aus irgendwelchen staatlichen Förderprogrammen bekommt er nach wie vor nicht. "Wir kriegen bis heute nichts."

Brehler ist keiner von den Unternehmern, die ständig über alles jammern. Er weiß die Vorzüge des Standortes Deutschland durchaus zu schätzen. Immer noch sei die Bundesrepublik ein Land mit einer soliden industriellen Struktur, mit breitem Mittelstand, mit innovativen Produkten und einer sehr guten Infrastruktur. Und mit einem hohen Sicherheitsniveau. "Ich muss hier mit meiner Familie nicht in einer gated-community leben", sagt Brehler.

Auch die EU habe aus Sicht eines Mittelständlers "nur Vorteile". Er kann seine Produkte auf einem homogenen Markt absetzen, ohne Zoll- und Währungsprobleme. "Schon Geschäfte mit der Schweiz sind lästig", sagt Brehler. Sechzig Prozent des Umsatzes macht EnOcean im Ausland.

Gleichwohl vermisst der 45-jährige Ingenieur die Offenheit für neue Ideen. Firmen, die innovative Produkte entwickeln, hätten es zu schwer. "Wir haben eine Kapitalunterversorgung für neue Ideen", klagt der Unternehmer. Stattdessen würden die staatlichen Mittel "in die Erhaltung von Bestandsindustrien" gesteckt.

Die Rettung von Großunternehmen wie Opel hält der Mittelständler Brehler für hochproblematisch.

Natürlich müsse die Politik in solchen Fällen eine moderierende Rolle spielen, aber der Einsatz von Steuermitteln sei nicht sinnvoll. "Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Unternehmen, die sich im Wettbewerb behaupten müssen", findet Brehler. Der Staat müsse viel mehr tun, um technischen Innovationen zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn die öffentliche Hand irgendwo investiere, "muss auch was Neues dabei sein". Gerade im Baubereich sei das dringend notwendig, die meisten Gebäude in Deutschland hinkten dem Stand der Technik weit hinterher. Doch in den Behörden säßen leider "lauter risikoaverse Leute".

Auch die Bürokratie ist für Brehler ein Ärgernis, wie für viele kleine Unternehmen, die sich keine Abteilungen leisten können, die den Papierkram mit den Behörden regeln. Vor einiger Zeit hatte er eine Betriebsprüfung. Alles wurde für in Ordnung befunden, bis auf eine Kleinigkeit, über die sich Brehler heute noch ärgert und die schon ein bisschen was aussagt über den Geist, in dem solche Prüfungen stattfinden.

Brehler hatte einen Innovationspreis gewonnen, und an die Preisverleihung hatte sich ein Abendessen für die Preisträger angeschlossen. Dieses Abendessen hätte er als geldwerten Vorteil versteuern müssen, monierte die Betriebsprüferin. "Das ist aus unserer Sicht pure Schikane", sagt der Preisträger.

Die Auswirkungen der Finanzkrise haben EnOcean nicht direkt getroffen. Wer sowieso kein Geld von den Banken bekommt, kann auch in nicht in die Kreditklemme geraten. Einige Kunden und Lieferanten hätten hingegen schon "Schwierigkeiten, sich mit Kapital zu versorgen".

In anderer Hinsicht sieht sich Brehler dagegen sogar als Nutznießer der Krise. Nicht nur, weil er vom Konjunkturprogramm der Bundesregierung zur Gebäudesanierung ein wenig profitiert, auch wenn er das Programm insgesamt für viel zu klein hält. Krise bedeute eben auch, "dass man das Hirn einschaltet und sich fragt, was man besser machen kann". Und das helfe einem innovativen Unternehmen wie seinem, das ein weltweit einzigartiges Produkt anbiete. "Unser Hauptkonkurrent", sagt Brehler, "ist das alte Denken."

Mit dem alten Denken hat so einer auch in der Politik wenig am Hut. Brehler ist ein Beispiel dafür, dass sich viele Wähler schon längst nicht mehr in die klassischen politischen Lager pressen lassen. Er hegt Sympathien für die FDP, aber auch bei den Grünen gebe es "interessante Ansätze".

Wenn es nach der Wahl zu Schwarz-Grün käme, wäre das für den Mittelständler Brehler keineswegs eine Katastrophe. Er könne sich vorstellen, "dass da interessante Ideen rauskommen".

Von den Ideen der eigenen Firma ist er ohnehin überzeugt. In den nächsten drei Jahren könne sich das Unternehmen noch zweimal verdoppeln. "Ich möchte, dass wir hier einen Weltmarktführer aufbauen", sagt Brehler. "Wir wollen die Welt verändern."

© SZ vom 21.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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