USA:Obama stemmt sich gegen den Brexit-Geist

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  • In Kanada treffen sich die Verantwortlichen der Nafta-Freihandelszone (North American Free Trade Agreement).
  • US-Präsident Obama und seine Partner stemmen sich dort gegen Kräfte, die freien Handel und offene Grenzen eindämmen wollen.
  • Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Trump hatte angekündigt, das Nafta-Abkommen aufkündigen zu wollen.

Von Nicolas Richter, Washington

Die Nafta ist nicht die Europäische Union, aber so ähnlich: Das Abkommen aus den Neunzigerjahren, North American Free Trade Agreement genannt, sieht relativ freien Warenverkehr zwischen den USA, Kanada und Mexiko vor. Als die Verantwortlichen dieser Freihandelszone nun am Mittwoch im kanadischen Ottawa zusammenkamen, stemmten sie sich in demonstrativer Einigkeit gegen die Kräfte, die Freihandel, Kooperation und offene Grenzen eindämmen wollen. Das allgegenwärtige, abschreckende Beispiel freilich ist das britische Votum gegen die EU, aber auch die nationalistischen, protektionistischen Reden, die von dem republikanischen Kandidaten Donald Trump im amerikanischen Wahlkampf zu hören sind.

US-Präsident Barack Obama also nutzte seinen Auftritt in Ottawa, um vor den Folgen des neuen Nationalismus zu warnen. "Wenn der Brexit tatsächlich stattfindet, weckt das langfristige Sorgen um das globale Wachstum; es friert die Möglichkeiten ein, in Großbritannien oder in Europa als Ganzem zu investieren", sagte Obama bei einer Pressekonferenz mit dem kanadischen Premier Justin Trudeau und dem mexikanischen Präsidenten Enrique Pena Nieto. "In einer Zeit, da die weltweiten Wachstumsraten ohnehin niedrig sind, ist das nicht hilfreich", fügte Obama hinzu. Er forderte die Briten und Europäer auf, nun erst einmal "durchzuatmen" und wenigstens für einen geordneten Rückzugsprozess zu sorgen.

In den USA wird der Ausgang des Brexit-Referendums durchaus als Menetekel für die Präsidentschaftswahl im Herbst gesehen. Viele der Kräfte, die man zuletzt in Großbritannien und anderswo in Europa beobachten konnte, wirken genauso in den Vereinigten Staaten. Am Dienstag hielt der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump eine ausführliche Rede zur wirtschaftlichen Lage, sie war geprägt von den nationalistischen und protektionistischen Tönen, die auch die Brexit-Debatte bestimmt hatten. Trump verlangte zum Beispiel ein Ende des Nafta-Abkommens, auch kündigte er an, dass er als Präsident Strafzölle gegen chinesische Waren verhängen würde.

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Trump fordert seit Beginn des Wahlkampfs, dass sich Amerika wieder stärker von der Welt abschotten müsse. Er kritisiert immer wieder den Umstand, dass amerikanische Konzerne Tausende Arbeitsplätze nach Mexiko verlagern. Und er wirbt mit einem harten Kurs gegen Einwanderer: Er hat Illegale aus Mexiko mit Vergewaltigern gleichgesetzt, den Bau einer Mauer angekündigt und Millionen Ausländern mit Abschiebung gedroht.

Obama stellt sich gegen die Trump-Rhetorik

Obama stemmte sich in Ottawa in Anwesenheit seiner ausländischen Kollegen gegen diese Rhetorik, und er holte dabei weit aus. "Es gab in unserer Geschichte immer wieder Zeiten, da eine Stimmung gegen Einwanderer von Demagogen ausgenutzt wurde, es ging gegen die Iren, es ging gegen die Polen und Italiener. Das Gleiche wird jetzt über Mexikaner oder Guatemalteken gesagt. Sie sind anders. Sie passen sich nicht an. Sie bringen Kriminalität. Geht man in die 1800er Jahre zurück, war die Rhetorik gleich. Aber wisst Ihr was? Die Einwanderer kamen trotzdem. Sie begriffen, dass es ihnen unser System mit der Zeit erlauben wird, ein Teil dieser einen amerikanischen Familie zu werden."

Die Amerikaner sind mehrheitlich nicht ausländerfeindlich, aber besonders in Industrieregionen herrscht eine große Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen der Globalisierung. Der Demokrat Bernie Sanders hat im Vorwahlkampf oft die herrschende Wirtschaftsordnung kritisiert und erklärt, diese helfe nur den Reichen und Konzernen, während die Mittelschicht auf der Strecke bleibe. Sanders hat den Kampf um die Nominierung zwar gegen Hillary Clinton verloren, aber er sieht sich durch die Brexit-Abstimmung voll bestätigt. In einem Artikel für die New York Times warnte er in dieser Woche eindringlich davor, Trump zu unterschätzen.

Clinton hat die Botschaft des Brexit durchaus verstanden. In einer Botschaft an ihr Wahlkampf-Team erinnerte sie bereits kurz nach dem britischen Referendum daran, dass die Experten mit ihren Prognosen zum Brexit völlig falsch gelegen hätten. Auch in den USA seien Beobachter lange Zeit der Meinung gewesen, dass Trump nicht gewinnen könne. Sie aber werde ihren Rivalen sehr ernst nehmen und unabhängig von allen Expertenprognosen bis zur Abstimmung davon ausgehen, dass Donald Trump eine "echte Chance" habe, die Wahl im November zu gewinnen. Clintons weiß, dass sie verwundbar ist: Wie die prominenten Brexit-Gegner in Großbritannien verkörpert auch sie das Establishment und einen Status Quo, von dem viele Wähler genug haben.

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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