Die SPD und die Euro-Rettung:Es geht nicht um die billigste Parole

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Der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier über die Transaktionssteuer und darüber, wie die Staatsverschuldung verringert werden könnte.

S. Höll, C. Hulverscheidt

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich zum zweiten Mal in zwei Wochen bei der Abstimmung über ein Milliarden-Hilfspaket zugunsten überschuldeter EU-Staaten enthalten. Der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier macht dafür die Bundesregierung verantwortlich, der er mangelndes Interesse an einer effektiven Kontrolle der internationalen Finanzmärkte vorwirft. Die von SPD und Grünen geforderte Finanztransaktionssteuer hält er für unausweichlich, auch um in den nächsten Jahren die großen Lücken im Bundesetat zu füllen.

Frank-Walter Steinmeier. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Steinmeier, regiert die SPD im Bund nun eigentlich mit oder nicht?

Frank-Walter Steinmeier: Die SPD führt die Opposition an. Mit harter Kritik an der Regierung, wenn sie es verdient; mit eigenen politischen Initiativen, aber nicht im Wettbewerb um die billigste Parole. Wir sind verantwortungsvoll, wenn es ums große Ganze geht. Das haben wir bei der Debatte über Afghanistan gezeigt.

SZ: Auch beim Euro-Rettungsschirm geht es ums große Ganze, die SPD hält den Kredit für richtig und enthält sich dennoch. Ist das verantwortungsvoll?

Steinmeier: Selbstverständlich. Das europäische Rettungspaket ist notwendig, darum haben wir den Weg zu einer schnellen Verabschiedung im Bundestag nicht blockiert. Die Regierung hat im Bundestag eine eigene Mehrheit. Wenn sie darüber hinaus eine breite Mehrheit im Parlament will, was in so wichtigen Fragen wie diesem Rettungspaket grundsätzlich richtig ist, muss sie auf die Opposition zugehen. Das ist ja nicht wirklich passiert. Frau Merkels Annäherungsversuche sind halbherzig geblieben.

SZ: Die SPD verlangt eine Transaktionssteuer, die Kanzlerin hat zugesagt, sich auch dafür einzusetzen. Warum reicht Ihnen das nicht aus?

Steinmeier: Nichts hat die Regierung zugesagt! Frau Merkel hat lediglich erklärt: Dann setze ich mich in Gottes Namen für diese Finanzmarktsteuer ein, und Finanzminister Schäuble fügt hinzu: Die Steuer kommt aber sowieso nicht. Die SPD erwartet, dass die Bundesregierung die Diskussion über diese Steuer in Europa ernsthaft und mit ganzer Kraft vorantreibt. Aber wir erleben wieder nur Halbherzigkeit bei der Kanzlerin. Sie sagt, sie halte entweder eine Transaktionssteuer oder eine Abgabe auf Boni und Bankengewinne für denkbar. Das sind ganz unterschiedliche Dinge. Für uns war das zu wenig.

SZ: Was hätte eine gemeinsame Resolution mit Union und FDP, die die SPD gefordert hatte und die das Wort Transaktionssteuer enthalten sollte, für die Sozialdemokraten in der Sache eigentlich geändert?

Steinmeier: Wir wollen eine Zusage, die so verbindlich wie möglich ist. Wir wollen nämlich, dass diese Steuer wirklich kommt. Für eine kurze Zeit steht das Fenster auf, um die Finanzmärkte wirksam zu regulieren. Wenn die Bundesregierung diese Möglichkeit verspielt, kommt die nächste Krise, und wir sind wieder nicht gerüstet. Deutschland muss endlich international seiner Verantwortung gerecht werden und eine Führungsrolle übernehmen.

SZ: Warum kaprizieren Sie sich auf diese eine Steuer, wo doch schon klar ist, dass die USA dabei nicht mitmachen werden?

Steinmeier: Die Transaktionssteuer besteuert Spekulationen genau dort, wo sie anfällt, und sie bringt deutlich mehr Geld in die Kasse als jede Bankenabgabe. Wir brauchen Geld für Investitionen in die Zukunft und zur Sicherung des Sozialstaats. Das ist ein sehr guter Grund, um international für diese Steuer zu kämpfen. Das ist selten leicht, denken Sie nur an den Klimaschutz. Hätten wir gesagt, wir fangen erst gar nicht an, weil die USA dagegen sind, wäre bis heute nichts passiert.

SZ: Nun hat die Transaktionssteuer auch Nachteile. Sie würde, wenn auch gering, ganz normale Verbraucher belasten, etwa die, die eine Riester-Rente haben.

Steinmeier: Das ist ein vorgeschobenes Argument. Die Steuer zielt nicht auf Kleinsparer, sondern auf diejenigen, die Milliarden einsetzen, um in kurzer Zeit Millionen zu verdienen. Jeder weiß: In den nächsten Jahren werden enorme Belastungen auf unsere Haushalte zukommen. Das kann man nicht allein mit Einsparungen schaffen. Und woher sollen zusätzliche Mittel kommen? Etwa aus der Erhöhung der Mehrwertsteuer? Oder indem wir Unternehmen der Realwirtschaft mit höheren Steuern die Luft zum Investieren nehmen? Das wäre doch Quatsch. An der Finanztransaktionssteuer führt kein Weg vorbei.

SZ: Stichwort Sparen. Die Bundesregierung berät im Juni, wo wieviel im Bundeshaushalt gestrichen werden kann und muss. Wird die SPD Sparvorschläge der Regierung torpedieren, besonders solche im Sozialbereich?

Steinmeier: Wir werden diese Auseinandersetzung führen - hart, aber konstruktiv. Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst, die angesichts der Staatsverschuldung sagen: Es muss gespart werden. Peer Steinbrück hat gezeigt, wie es geht. Ohne die Finanzkrise hätten wir 2011 einen ausgeglichenen Etat erreicht, auch durch Einsparungen, vor allem aber durch kluge Reformpolitik.

SZ: Im Bundestagswahlkampf haben Sie auch für Steuererhöhungen plädiert. Gilt das immer noch?

Steinmeier: Wir wollen einen maßvollen Aufschlag auf den Spitzensteuersatz für Top-Verdiener - das wären zwei Milliarden Euro pro Jahr für bessere Schulen und Bildung. Das ist vernünftig und gilt weiterhin.

© SZ vom 22.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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