FDP in der Krise:Ein Mann und seine Dreikönigs-Knaller

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Bei seinen Dreikönigsreden lehnte sich Guido Westerwelle meist besonders weit aus dem Fenster. Doch seine Leidenschaft für Zuspitzungen und gewagte Übertreibungen können nicht davon ablenken, dass der FDP-Chef im Kern eigentlich immer dasselbe sagt.

Nico Fried, Berlin

Vor einem Jahr, am 6. Januar 2010, beendete Guido Westerwelle seine Rede auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart mit folgendem Satz: "Für die einen ist es ein Versprechen, für die anderen eine Drohung: Ich werde in der deutschen Innenpolitik auch in Zukunft kräftig mitmischen." Eine Mehrheit der Liberalen empfand das damals wohl als Versprechen. Ein Jahr später kann man sich dessen nicht mehr sicher sein.

Man kann Westerwelle manches vorwerfen, nicht aber, dass er sein Versprechen uneingelöst gelassen hätte. Nur einen Monat nach dem Auftritt in Stuttgart trat er mit einem Kommentar zum Hartz- IV-Urteil des Verfassungsgerichtes eine sogenannte Sozialstaatsdebatte los. Dem FDP-Chef erschien es angeraten, vor "anstrengungslosem Wohlstand" zu warnen, weil man damit zu "spätrömischer Dekadenz" einlade. In der Sache hatte sich Westerwelle nur wiederholt. Zum Problem wurde seine zugespitzte Formulierung.

Insofern hat der Absturz der FDP und der ihres Chefs, der danach folgte, viel mit derselben rhetorischen Veranlagung Westerwelles zu tun, die zuvor den Aufstieg erst ermöglicht hatte. Dreikönigsreden waren für ihn immer mal wieder wichtige Reden, im Januar 2006 zum Beispiel, nachdem die FDP wenige Monate zuvor trotz knapp zehn Prozent bei der Bundestagswahl nur in der Opposition gelandet war; oder 2008, als Westerwelle die Kritik seines Vorgängers Wolfgang Gerhardt an der "One-Man-Show" Westerwelle ausgerechnet mit einer besonders gelungenen "One-Man-Show" in Stuttgart abwehrte.

Westerwelle ist ein lebhafter Redner, einer, der mitreißen kann, sich aber bisweilen auch hinreißen lässt. Nicht zuletzt die Dreikönigsreden der Vergangenheit geben davon Zeugnis ab. Eines seiner beliebtesten Spottobjekte in Zeiten der Opposition hieß stets Angela Merkel: "Es geht nicht darum, ob sie eine gute Figur macht, sondern darum, dass ihre Regierung eine schlechte Politik macht", lästerte Westerwelle 2006.

Besonders heftig ging er die Kanzlerin der großen Koalition 2008 an, als er ihr vorhielt, sogar die "schmale" Reformpolitik der rot-grünen Regierung noch zurückzudrehen. Die Sängerin Anna Netrebko verdiene an einem Abend so viel wie die Kanzlerin im ganzen Jahr, so Westerwelle: "Die kann aber auch singen."

Eine "geistig politische Wende", geliehen von Helmut Kohl

2009, wenige Monate vor der Bundestagswahl, stellte der FDP-Chef die Angriffe auf Merkel dann ein. Stattdessen forderte er: "Dieses Land braucht wieder eine Regierung, die ein Team ist und nicht eine Versammlung von Regierungsmitgliedern, die sich nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen". Es gibt jedoch kundige Menschen, die meinen, dass die Zweierbeziehung zwischen der Kanzlerin und ihrem Vize durch Westerwelles Spottlust zuvor bereits so nachhaltig beschädigt worden war, dass bis heute eben kein Team aus der Regierung geworden ist.

In der Sache hat Westerwelle stets dieselben Thesen vertreten: Mehr Freiheit wagen; Leistung muss sich wieder lohnen; die FDP als Anwalt einer "vergessenen Mitte"; die FDP als Schutzmacht gegen neuen Sozialismus, die FDP als Verteidigerin der Bürgerrechte und des Mittelstands - und natürlich das berühmte einfachere, niedrigere und gerechtere Steuersystem. Wer aber immer dasselbe sagt, muss durch die Rhetorik zusätzliche Aufmerksamkeit erzeugen. So führt von den "Gutmenschen", die Westerwelle 2008 beschimpfte, weil sie nur Steuergelder ausgeben wollten, über die Kritiker einer Steuersenkung, denen er 2010 ein "dekadentes Staatsverständnis" attestierte, eine logische Steigerung zur spätrömischen Dekadenz.

Ohnehin bewegt sich Westerwelle mit der Größe seiner Rhetorik gelegentlich am Rande der Lächerlichkeit. Eine Passage, in der er sich einst als "deutsche Freiheitsstatue" bezeichnete, ist ein gern wiederholter Ausschnitt in Satire-Sendungen. Umso schwieriger wird es, wenn Westerwelle seinen Anspruch auch noch ernst meint.

An Dreikönig 2010 kündigte er eine "geistig-politische Wende" an, eine Anleihe bei Helmut Kohls geistig-moralischer Wende, die der neue Kanzler 1982 in Aussicht gestellt hatte. Dass die einzige wirkliche Wende, die den Liberalen 2010 gelang, die Wende in den Sympathiewerten der Bürger war, ist nun ein Grund dafür, dass auch die Dreikönigsrede 2011 für Westerwelle wieder besonders wichtig wird.

© SZ vom 05./06.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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