Auftritt vor Bundespressekonferenz:Links unten

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Die Linke muss Einigkeit demonstrieren. Wie dringend, das zeigt der Auftritt von Gysi, Ernst und Lötzsch in Berlin. Einen besseren Plan, um wieder in die Offensive zu kommen, haben die drei offenbar nicht.

Thorsten Denkler, Berlin

Es fehlt nur eine Stange, dann könnte Klaus Ernst locker als Limbo-Tänzer auftreten. Mit breiter Brust, von sich gestreckten Armen und einem ausufernden Grinsen im Gesicht betritt der Parteichef der Linken den Saal der Bundespressekonferenz, traditionell der Ort für große Auftritte. An seiner Seite Ko-Chefin Gesine Lötzsch und Fraktionschef Gregor Gysi. Der Auftritt des Triumvirates soll offenbar künden von einer neuen Einigkeit der Partei- und Fraktionsführung, von neuer Geschlossenheit.

Bemühte Einigkeit: Das Triumvirat Gregor Gysi, Klaus Ernst und Gesine Lötzsch beim Lagebericht aus der Linken.  (Foto: dpa)

Das ist auch nötig angesichts der Hakeleien, die es in den vergangenen Wochen und Monaten in der Spitze der Partei gegeben hat. Seit einem halben Jahr sind Lötzsch und Ernst die neuen Parteichefs der Linken. Sie haben Oskar Lafontaine und Lothar Bisky beerbt. Wohl niemand würde derzeit behaupten, dass es der Linken damit besser gehe.

Kaum im Amt, gingen die Debatten um den Lebenswandel von Klaus Ernst los, der als Bundestagsabgeordneter, plus Mitglied im Fraktionsvorstand, plus Parteichef auf ein ordentliches Einkommen zurückgreifen konnte. Und warum ein Linken-Chef unbedingt Porsche fahren muss, leuchtete auch nicht jedem Genossen ein. Porsche-Klaus war plötzlich nicht mehr satisfaktionsfähig. Erst nachdem er auf einen Teil seiner Fraktionsbezüge verzichtet hatte und für einige Wochen abgetaucht war, beruhigte sich die Debatte wieder.

Abgewürgter Motor

Ko-Chefin Gesine Lötzsch vermochte indes ebenfalls nicht, der Partei neue Frische zu geben. Auch nicht an diesem Vormittag in der Bundespressekonferenz. Sie stellt ein Papier vor, das die drei kürzlich verfasst haben. Es soll eine Art Masterplan sein, wie die Linke wieder auf die Überholspur kommt. "Zum Motor für den Politikwechsel werden", so ist es überschrieben. Lötzsch trägt die Inhalte in einer Dynamik vor, als hätte sie den Motor gerade abgewürgt, der die Partei eigentlich noch werden soll.

Neue Themen und Ansätze, ein neuer Plan gar, aus dem gegenwärtigen Formtief herauszukommen, finden sich in dem Papier nicht: Gegen Rente mit 67, gegen Hartz IV, gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr, für Mindestlohn. Ernst will die Partei auch gar "nicht neu erfinden". Solange alle anderen Parteien auf die Linke zukämen, ergebe es keinen Sinn, wenn die Linke "Positionen aufgeben würde".

Dabei ist der Höhenflug der Linken messbar vorbei. In Umfragen hat sich die Partei bei etwas unter zehn Prozent eingependelt. Und das in einer Situation, in der der neoliberale Klassenfeind regiert. Lötzsch erklärt zwar, die wichtigsten Gegner der Linken seien - bei aller Kritik an SPD und Grünen - Union und FDP. Klaus Ernst sind Gegner sogar völlig egal, er setzt auf einen Kurs der Eigenständigkeit. Doch ganz offenbar kann die Linke nur da punkten, wo sie enttäuschte SPD-Anhänger für sich mobilisieren kann. Seit auch die SPD in der Opposition ist, wird das immer schwieriger.

Bis jetzt wirkt die Linke nicht so, als hätte sie die neuen Realitäten zur Kenntnis genommen. Ein Journalist fragt, ob es so weitergehen soll, dass die Linke als Fels in der Brandung auftreten will, mit dem Anspruch, dass erst SPD und Grüne sich an die Linke anzupassen hätten, bevor es zu einer Koalition kommen könne. "Fels in der Brandung", kichert Ernst, das Bild gefällt ihm. Er vergisst, dass die Brandung auf Dauer jeden Fels kleinkriegt, wenn er nicht immer wieder verstärkt wird.

Dass es die Grünen derzeit weitaus besser hinbekommen, neue Wählerschichten anzusprechen, tut Lötzsch als "Spekulationsblase" ab. Die Grünen würden "von den Punktrichtern durch die Arena getragen", während die Linke gegen "mächtige Gegner" wie den Verfassungsschutz und Teile der Presse zu kämpfen und "'ne ganze Menge Schläge unter die Gürtellinie" zu verkraften gehabt habe.

Und überhaupt: Gemessen am Jahr 2003 sei die Linke eine Erfolgsgeschichte. Damals saßen nur Lötzsch und Petra Pau für die PDS im Bundestag. Heute zählt die Fraktion 74 Abgeordnete und die Linke ist in 13 Landtagen vertreten. Ernst schafft es, auch Stagnation als Erfolg zu verkaufen. Die Linke sei seit der Bundestagswahl die Partei mit der "größten Bindekraft". Aber die weiteren Sätze verraten ihn: "Wir wollen wachsen. Wir wollen in die Offensive." Anders gesagt: Gerade wächst nichts und von Offensive ist auch nicht viel zu spüren.

Ständige Denunziation der Medien

Gysi hatte vor kurzen noch die dauernde "Selbstbeschäftigung" als Grund für die Stagnation ausgemacht. Hier sagt er: "Die Phase der Selbstbeschäftigung und Passivität ist seitens der Fraktion überwunden." Die ständigen Denunziationen über die Medien seien beendet worden. Die Fraktion sei politisch aktiver.

Und die Partei nimmt er aus? Nein, nein, widerspricht Gysi. Die Partei sei nie gemeint gewesen. Das wiederum hatten sehr viele in der Linken allerdings ganz anders verstanden. "Das war selbstkritisch gemeint", sagt Gysi. Die neue Führung habe damit "gar nichts zu tun". Es sei aber so, dass ihr die Partei "nicht gerade in dem allerbesten Zustand übergeben" wurde.

An dem Zustand hat sich seit dem spürbar wenig geändert. Dabei stehen im kommenden Jahr wichtige Landtagswahlen an. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz will die Linke in die Landtage 14 und 15 einziehen, in Sachsen-Anhalt stärkste Fraktion werden, in Bremen zulegen, in Berlin auch - trotz Regierungsbeteiligung.

Gelingt das alles nicht, könnte es auch das Führungsduo Ernst/Lötzsch hinwegfegen. Der geschasste Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sitzt für diesen Fall schon in der Startlöchern. Nicht wenige aber spekulieren auf die Wiederkehr eines Mannes, um den es in den vergangenen Monaten bemerkenswert still geworden war: Oskar Lafontaine.

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