Verkehrspolitik:Fast durchs ganze Land für 49 Euro

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Ein günstiges, pauschales Ticket für den öffentlichen Nahverkehr ist praktisch und klimafreundlich. Aber wer zahlt? Busse in Stendal. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Im Landkreis Stendal gilt das Deutschlandticket von Januar 2024 an nicht mehr in Regional- und Stadtbussen. Grund ist der Streit mit dem Bund um die Finanzierung. Der Deutsche Landkreistag warnt, dieser erste Fall von Verweigerung könne Schule machen.

Von Michael Schlegel

Ganz Deutschland ist für 49 Euro im Monat per Regionalverkehr erreichbar. Ganz Deutschland? Nein! In einem Landkreis in Sachsen-Anhalt wird das Deutschlandticket voraussichtlich ab Januar 2024 nicht mehr gelten.

Denn der Stendaler Kreistag beschloss am vergangenen Donnerstag, das Ticket im kommenden Jahr nicht zu bezuschussen. Züge der Deutschen Bahn werden zwar nicht davon betroffen sein. Doch von Januar an gilt das Ticket nicht mehr für Regionalbusse und Stadtbusse im Landkreis. Wie konnte es dazu kommen? Und droht das nun auch andernorts in Deutschland?

"Wir haben einen wahnsinnig angespannten Haushalt."

Annegret Schwarz (CDU), Vorsitzende des Stendaler Kreistags, sagt: "Wir haben einen wahnsinnig angespannten Haushalt. Und das führt zu solchen Entscheidungen". Für das ganze Jahr 2024 hätte der Kreis Stendal 120 000 Euro für das Deutschlandticket ausgeben müssen, so Schwarz. "Man kann nicht auf Bundesebene die Helden spielen, etwas festlegen und die finanziellen Belastungen auf die unteren Ebenen abschieben, die sich nicht mehr wehren können", sagt sie. Neben den Abgeordneten der CDU stimmte auch die FDP und die Wählergemeinschaft Pro Altmark gegen die Zuschüsse.

Die beiden Abgeordneten der Grünen nahmen nicht an der Sitzung teil. Der Vorsitzende der Grünen der Region Altmark schrieb im Nachgang auf der Plattform X: "De facto bedeutet die Entscheidung des Kreistags: Zug ja, Bus nein. Das ist zutiefst verwirrend und ein Schlag ins Gesicht für die Abonnent*innen."

Es sollten die bezahlen, die sich das Ticket ausgedacht haben, sagen die Landkreise

Lydia Hüskens (FDP), Infrastrukturministerin von Sachsen-Anhalt, sagt, der Kreis Stendal sei selbst für die zusätzlichen Kosten beim Deutschlandticket verantwortlich. Denn er wolle die Ticketpreise für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) um 15 Prozent erhöhen. Bund und die Länder rechneten mit höchstens acht Prozent Erhöhung. Sarah Fretter, die Geschäftsführerin des regionalen Nahverkehrsunternehmen Stendalbus, bestätigte auf Anfrage, dass eine Erhöhung um durchschnittlich 14 Prozent zur Diskussion stehe. Hüskens sagt: "Wir gehen davon aus, dass die Mittel von Bund und Ländern das Defizit des Deutschlandtickets ausgleichen".

Doch der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, ist der Ansicht, dass die Finanzierung des Deutschlandtickets auf wackeligen Beinen stehe. Er sagt, das von Bund und Ländern eingeplante jährliche Budget von drei Milliarden Euro reiche 2024 nicht mehr aus. "2023 ging das noch, weil Bund und Länder zugesagt haben, sämtliche Kosten zu übernehmen". Für das kommende Jahr rechne der Landkreistag jedoch mit Gesamtkosten für das Deutschlandticket in Höhe von vier Milliarden Euro, so Sager. Deshalb fordert Sager: "Die Länder müssen den Trägern des ÖPNV einen Anwendungsbefehl geben". Konkret würde das bedeuten: Die Länder verpflichten die Landkreise, das Deutschlandticket umzusetzen. Aber sie müssten damit die Finanzierung des Tickets garantiert decken.

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Lydia Hüskens, die Ministerin in Sachsen-Anhalt, sagt: "Wir können keinen Anwendungsbefehl erteilen. Der örtliche öffentliche Busverkehr im Landkreis Stendal ist Sache der kommunalen Selbstverwaltung und liegt in der Tarifhoheit der zuständigen Unternehmen."

Der Präsident des Deutschen Landkreistages fordert: "Es sollen die bezahlen, die sich das Ticket ausgedacht haben." Und er glaubt, dass Stendal kein Einzelfall bleiben könnte. Denn in vielen Landkreisen wird derzeit wie im Bund über den Haushalt für das kommende Jahr beraten. Ob damit das Deutschlandticket in der jetzigen Form bestehen bleiben kann, wenn Bund und Länder sich nicht über die weitere Finanzierung einigen, ist ungewiss.

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