Die wackelige Kamera zoomt auf ein Gesicht, das mehr tot als lebendig aussieht und deutschen Fahndern gut bekannt ist. Denis Cuspert überlebte den Angriff der syrischen Luftwaffe im September nur knapp: "Mein Kopf war offen gewesen, und mein Gehirn kam ein bisschen raus", ließ der Islamist aus Berlin kürzlich via Youtube-Video wissen. Der 38-Jährige, einst als Deso Dogg in der Rapmusik-Szene bekannt, gilt als gefährlichster jener Islamisten, die den bewaffneten Dschihad im syrischen Bürgerkrieg suchen. "Ich zünde die Bombe inmitten der Menge, drücke auf den Knopf", sang er ein Kampflied - Grund genug für das Bundeskriminalamt, auf Plakaten vor ihm zu warnen.
Doch Cuspert ist nur einer von vielen, meist jungen Radikalen, die es in den Heiligen Krieg nach Syrien zieht. Mehr als 240 islamistische Männer, aber auch Frauen und Kinder, sind nach Zählung des Verfassungsschutzes seit Ausbruch des Bürgerkriegs aus Deutschland ins Konfliktgebiet gereist. Personalausweis und Billigflug reichen, um in die Türkei zu gelangen. Von der Stadt Reyhanli geht es dann über die nahe grüne Grenze in den Syrien-Krieg.
Zwei Drittel der Dschihad-Touristen aus der Bundesrepublik sind Deutsche - wie der 26-jährige Philip B. aus Dinslaken, der sich als "Abu Osama" per Video aus Syrien meldete, ein Sturmgewehr über der Schulter.
Pläne für ein "deutsches Dorf"
Ein knappes Dutzend von ihnen soll bereits tot sein. Sogar ein erst 16-jähriger Schüler aus Frankfurt ist wohl unter den Toten: "Enes (aus der Türkei) erreichte Aleppo erst vor drei Tagen und ist schon ein Shahid (inschallah)" - ein Märtyrer also, hieß es in einem Facebook-Eintrag. Im November starb bei einem Feuergefecht Burak Karan aus Wuppertal. Der 26-Jährige hatte einst neben Kevin-Prince Boateng und Sami Khedira Fußball in der deutschen Jugendnationalmannschaft gespielt.
Auch Gökhan C., 25, aus Hamburg kam im Kampfgebiet ums Leben. Wie Karan soll er Kontakt zu der inzwischen verbotenen Salafisten-Gruppe Millatu Ibrahim gehabt haben, zu deren Anführern der Ex-Rapper Cuspert und der österreichische Hassprediger Mohamed Mahmoud gehörten. Der Wiener, derzeit in der Stadt Konya in türkischer Auslieferungshaft, wollte in Nordsyrien eine deutsche Brigade Al-Qaida-naher Kämpfer aufstellen. Unbestätigten Berichten zufolge gibt es weiter Pläne, deutschsprachige Dschihadisten und ihre Familien in einem "deutschen Dorf" zu sammeln.
Helfer aus Deutschland gibt es genug. So tauchte Reda S., seit langem einer der Köpfe der salafistischen Szene in Deutschland, im türkisch-syrischen Grenzgebiet auf. Hierzulande sammeln Hassprediger wie Ibrahim B. alias Abu Abdullah, Said E. alias Abu Dujana oder Sabri Ben-A. via Internet und in radikalen Moschee-Gemeinden Spenden für Vereine wie "Helfen in Not" oder "Ansaar International".
Verbandsmaterial und Uniformen per Hilfstransport
Nicht immer haben die Hilfstransporte nur Verbandsmaterial und Medikamente geladen. Mitte November stoppte die Polizei an der schwäbischen Autobahnraststätte Gruibingen zwei Männer auf dem Weg in die Türkei. Im Gepäck fanden sich Nachtsichtgeräte, Ferngläser und Tarnuniformen.
Noch mehr fürchtet man in deutschen Sicherheitskreisen jedoch den Verkehr aus der Gegenrichtung. 50 Islamisten sind demnach bereits wieder aus Syrien zurückgekehrt - mancher von ihnen nun mit Erfahrung im Umgang mit Waffen. Denis Cuspert will nicht zurück: "Deutschland ist nicht mein Ziel, was Anschläge angeht", verkündet er neuerdings aus Syrien: "Ihr könnt zufrieden sein, dass ich hier bleibe, dann habt ihr eure Ruhe."