Bundesregierung:Dealmaker im Finanzministerium

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Staatssekretär Jörg Kukies (links) im Gespräch mit seinem Chef, dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz. (Foto: Janine Schmitz/photothek.net/Imago)
  • Bei den Fusionsplänen zwischen Deutscher Bank und Commerzbank soll der Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies eine wichtige Rolle spielen.
  • Die Opposition kritisiert, dass Kukies als ehemaliger Investmentbanker zu eng mit der Finanzindustrie verbunden sei.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Zu den politischen Minenfeldern in Berlin gehören die Fusionsgespräche zwischen Deutscher Bank und Commerzbank. Sie finden ausgerechnet in einer Zeit statt, in der die SPD wieder das Bundesfinanzministerium führt. Tausende Arbeitsplätze und Milliarden Euro an Steuergeldern stehen auf dem Spiel. Minister Olaf Scholz versichert zwar, er nehme nur zur Kenntnis, dass da Bankchefs redeten. Glauben mag ihm das niemand. Stattdessen rätselt man, wer Herr ist im Bundesfinanzministerium - und wer Diener. Hat Staatssekretär Jörg Kukies, ausgestattet mit der Eloquenz und Suggestivkraft eines auf Erfolg und Boni trainierten Investmentbankers, seinen Chef von der Fusion überzeugen können? Oder führt Kukies aus, was der Bundesfinanzminister für richtig hält?

Die Antwort darauf führt zu Kukies' früherem Arbeitgeber, die Investmentbank Goldman Sachs. Deren weltweit mehr als 30 000 Mitarbeiter bewegen täglich 700 Milliarden Euro, also zweimal den Bundesetat eines Jahres. Wenn es eine Bank gibt, die permanent die öffentliche Meinung beeinflusst, ist es Goldman Sachs. Das Netzwerk aus Ehemaligen ist eng geflochten: Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank. Paul Achleitner, Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Alice Weidel, Fraktionschefin der AfD im Bundestag. Steven Mnuchin, US-Finanzminister. Und Jörg Kukies. Der 51 Jahre alte Genosse hat bei Goldman Sachs 17 Jahre lang Millionen verdient, zuletzt als Co-Chef der deutschen Tochter. Er hat Deals eingefädelt, Entscheidungen getroffen. Ordnet sich so einer der Bürokratie unter?

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Deutsche Bank und Commerzbank sprechen über eine Fusion. Über mögliche Namen wird bereits diskutiert: Deutsche Commerz, DeuCo - oder doch ganz anders? Sicher ist: Es wird verdammt kompliziert.

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Auftritt in Davos, beim Weltwirtschaftsforum im Januar. Kukies sitzt neben IWF-Chefin Christine Lagarde auf der Bühne. Der Anzug sitzt, das Haar ist glatt nach hinten gekämmt, die Beine sind souverän übereinandergeschlagen. Der Moderator stellt ihn als Vize-Finanzminister vor. Kukies wiegt den Kopf und referiert über weltweite Handels- und Finanzbeziehungen. Natürlich in Englisch. So spricht keiner, der nur Diener eines Herrn ist.

Treibt also ein ehemaliger Goldman-Sachs-Chef hierzulande die Fusion der zwei größten deutschen Banken voran?

Man fragt nach. Bei Kukies, Mitte März in Frankfurt auf einer Veranstaltung der französischen Bank Natixis. Ob er die gigantische Bankenhochzeit befürworte? Er nehme die Gespräche der Banken zur Kenntnis, treibe nichts voran. Aber er räumt ein, dass er bis Januar "23 Gesprächskontakte" mit der Deutschen Bank hatte. Worüber? Schweigen.

Und was sagt sein Chef? Die Nachfrage prallt auf eine dicke Mauer, gebaut aus wehrhaften Worten wie "unzulässig", "falsch", "Unterstellung". Hiesige Staatssekretäre würden keine Fusionsgespräche vorantreiben, richtet Scholz aus. Man sei in "regelmäßigem Kontakt" mit allen relevanten Finanzmarktakteuren und wolle den Finanz- und Bankenplatz Deutschland fördern. Daraus könne nicht abgeleitet werden, dass man die Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank vorantreibe. Kukies habe sich übrigens bei Goldman Sachs weder mit Fusionen befasst, noch in diesem Zusammenhang Vertreter von anderen Geldinstituten getroffen.

Das Argument lässt sich auch umdrehen. Wieso lässt Scholz die Finanzmärkte von Kukies betreuen, wenn der keine besondere Erfahrung hat, weil er als Banker nur Wertpapiere gehandelt haben soll?

Kukies soll die beiden Banken ermuntert haben, über die Fusion zu reden

Man fragt wieder nach, bei Professor Volker Brühl an der Universität in Frankfurt. Brühl ist Experte für banking und finance. Die Berufung von Kukies und sein Wirken seien "hoch problematisch", sagt er. "Es ist bekannt, dass hochrangige Ex-Goldman-Sachs-Banker ein Leben lang das Netzwerk zu Goldman Sachs pflegen."

Also einmal Banker, immer Banker?

Weniges regt Kukies so auf wie die Frage, wieso er auf sein Millionengehalt wegen eines schlecht bezahlten Bürokratiejobs verzichtet. Es ärgere ihn, sagt er, wenn die Leuten denken, Banker wollten immer nur Geld. Man verkenne, dass es in der Branche nur wenige Menschen gebe, die sich nicht sozial oder politisch engagieren.

Ach, dann war das mit den gierigen Bankern ein Irrtum?

Vielleicht aber liegt in dieser Antwort sogar der entscheidende Hinweis darauf, dass jemand, der 17 Jahre lang Top-Banker in einer Mega-Bank war, kein anderer wird, wenn er die Seite wechselt. Sein Antrieb bleibt der gleiche. Er wird sich nicht begnügen, zuzuarbeiten. Er will weiter die großen Räder drehen.

In den Chefetagen europäischer Banken glaubt man, dass Kukies "der wichtigste Förderer dieser verrückten Idee in der Regierung ist". Er habe die beiden Banken ermuntert zu reden. Man sagt in Frankfurt, dass Scholz und Kukies es eher gerne sähen, wenn die Sache mit der Fusion bis zur Europawahl geregelt wäre. Vorzeitige Neuwahlen in Deutschland könnten das politische Klima ändern. Dazu passt, dass Aufsichtsratschef Achtleitner am Mittwoch mitteilt, man hoffe, Ende April "mit konkreteren Überlegungen" zu überraschen.

Opposition kritisiert, dass Goldman Sachs bei der Fusion berät

Im Bundestag formiert sich Widerstand. Alte Netzwerke seien problematisch, wenn sie mit Regierungeschäften verbunden würden, sagt Hans Michelbach (CSU), Obmann im Bundestagsfinanzausschuss, der SZ. Um Interessenkonflikten vorzubeugen, sei es nachdenkenswert, "eine Abkühlzeit für einen Wechsel in umgekehrter Richtung zu schaffen".

Grüne und FDP sehen es ähnlich. "Kukies wäre gut beraten, möglichen Interessenkonflikten vorzubeugen und sich aus der Sache komplett herauszuhalten", sagt Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus der SZ. Es sei "völlig unverständlich, dass die Commerzbank, bei der der Staat drin hängt, sich jetzt von Goldman Sachs beraten lässt". Tatsächlich gibt es genau diese Beratung. Man kennt sich gut: Als Kukies noch die Investmentbank leitete, ließ sich die Commerzbank bei der Abwehr feindlicher Übernahmen durch Italiener oder Franzosen beraten. Man darf unterstellen, dass Kukies das seinem Chef erzählt hat. Ob Scholz deshalb die Fusion für eine gute Idee hält? Jedenfalls fehle Scholz das "nötige Gespür", kritisierte Florian Toncar, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Es sei extrem unsensibel, dass Goldman Sachs in den Fusionsgesprächen berate. Kommende Woche soll der Protest im Bundestag weitergehen.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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