Debatte um Pkw-Maut:Irrweg Vignette

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Kommt die Pkw-Maut tatsächlich, wird sich die Bundesrepublik wohl ihre Nachbarländer zum Vorbild nehmen - und die Vignette einführen. Doch das wäre extrem ungerecht.

Michael Bauchmüller

Wie wird doch in deutschen Städten gebaggert und geteert in diesen Tagen! Millionen fließen aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung in den Straßenbau. In mal engere und mal breitere Straßen, in neuen Asphalt. Ihre Straßen hegen die Deutschen besonders gern, fast so gern wie die Autos. Vorausgesetzt natürlich, es ist Geld da. Gäbe es Geld genug, wäre Deutschland längst eine fünfspurige Republik. Bildlich gesprochen.

Das Archivbild zeigt ein Verkehrsschild, das auf die Mautpflicht für den Warnowtunnel in Rostock hinweist. Derzeit wird wieder um die Pkw-Maut debattiert. (Foto: Foto: ddp)

Aber an Geld mangelt es immer, selbst dort, wo es bitter nötig wäre. Insbesondere auf den Transitstrecken der alten Bundesrepublik staut sich in Stoßzeiten der Verkehr. Die Qualität der Beläge wird durch so viel Betrieb nicht besser, ganz zu schweigen vom Zustand der Brücken. Jede siebte Brücke ist schon jetzt marode, denn die große Welle des Brückenbaus liegt im Westen 40 Jahre zurück. Es fehlt nur der Goldesel.

Insofern war es vorhersehbar wie der nächste Winter, dass irgendwann eine neue Debatte über eine Maut für Autos aufkommen würde. Schließlich könnte sie endlich all die ausländischen Fahrer in die Finanzierung der Fernstraßen einbeziehen, die bisher völlig mautfrei durch Deutschland fahren. Oft bereichern sie den Fiskus nicht einmal durch einen Tankstopp, über die Mineralölsteuer; kostenlos nutzen sie das engste Straßennetz Europas.

Wichtiger noch aber ist ein zweiter Effekt: Die Pkw-Maut könnte ohne Umwege in die Finanzierung der Fernstraßen fließen, weswegen die Mautfreunde in Union und FDP am liebsten vom "nutzerfinanzierten Fernstraßenbau" sprechen, wenn sie in Wirklichkeit die Pkw-Maut meinen. Sie wollen das öffentliche Gut Straße zu einem privaten machen, das bezahlen soll, wer es benutzen will. Das ist die Methode Maut.

Die gerechteteste Lösung ist kaum realisierbar

Nur: So einfach geht es nicht. Denn die ideale Art der Maut-Erhebung wird sich technisch - und auch rechtlich - kaum machen lassen. Die ideale, gerechte Form wäre eine Art Lkw-Maut für alle, mit kleinen Kästchen in jedem Auto, die kilometergenau abrechnen, wer wann wo gefahren ist. Sie könnte die Kosten für die Straßennutzung für jedes Auto sogar differenzieren.

Der Kilometer wäre dann billiger außerhalb der Stoßzeiten, oder für besonders umweltfreundliche Autos. Doch technisch ist das Lkw-System nicht auf 40 Millionen Autos ausgelegt, und selbst wenn es das wäre: Wollen die Deutschen eine Maut, die nebenbei haargenau aufschlüsseln kann, wo sie sich zu welchem Zeitpunkt befunden haben? Der Datenschutz lässt grüßen.

Im Video: Baden-Württembergs designierter Ministerpräsident Mappus (CDU) schlägt reisewegsabhängige Pkw-Maut vor.

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Deutlich wahrscheinlicher wäre damit eine Vignette, etwa nach dem Vorbild der Schweiz oder Österreichs. Einmal erstanden, berechtigt sie zur Benutzung des kompletten Autobahnnetzes. 100 Euro je Vignette, das brächte bei 40 Millionen Autos vier Milliarden Euro im Jahr, plus vielleicht einer Milliarde von Fahrern aus dem Ausland. Im Gegenzug würden die Kfz- und die Mineralölsteuer gesenkt. Klingt gut? Ist es aber nicht.

Denn faktisch läge darin eine grobe Ungleichbehandlung, weil der Vielfahrer genauso viel zahlt wie der Ausflügler, der Besitzer eines VW Polo so viel wie der einer Mercedes-S-Klasse. Wobei Letzterer von einer Entlastung bei der Kfz- oder Mineralölsteuer viel stärker profitieren würde. Nutzerfinanzierter Straßenbau geht anders - ganz abgesehen davon, dass eine Autobahn-Vignette zwangsläufig Landstraßen belastet. Wer selten fährt und sparen will, weicht aus.

Das bestehende System hat Lücken, auch der EU wegen. Brüssel verbietet eine Maut allein für ausländische Autos, erlaubt aber stark unterschiedliche Steuersätze für Kraftstoffe - was täglich Tausende Deutsche zum Tanken ins benachbarte Ausland treibt. Das höhlt die Mineralölsteuer aus. Nur würde eine Vignette diese Probleme zum Preis ungleich größerer, neuer Unzulänglichkeiten beheben. Dann doch lieber weiter wie bisher.

Gelder fließen nicht nach Notwendigkeit - sondern nach Proporz

Für den freien Fluss auf deutschen Straßen muss das nicht einmal von Nachteil sein - wenn der Bund nur endlich effizient investieren würde. Nach wie vor fließen Mittel in die Fernstraßen nicht nach Notwendigkeit, sondern nach Proporz. Welche Strecken eine Sanierung am nötigsten haben, ist im Milliardenspiel der "Bundesverkehrswegepläne" nicht das Wichtigste.

Hauptsache, kein Bundesland kommt zu kurz. Den Herausforderungen wachsender Transitströme wird das längst nicht mehr gerecht. Mehr noch: Die Debatte über die Finanzierung ganz allein der Straße verstellt den Blick auf das große Ganze. Denn über die Mobilität eines Industrielandes entscheidet nicht die Funktionsfähigkeit des Systems Straße allein, so wenig wie die des Systems Bahn oder jene des Systems Flugverkehr. Mobilität ist ein System in sich. Sie lässt sich nicht zerstückeln.

Allzu viel Zeit sollte diese Koalition deshalb nicht auf die Maut verschwenden. Wenn sie dieses Land mobil halten will - und wieder anwachsende Güterströme werden diese Frage schon bald aufwerfen - dann wird sie ihre Ausgaben besser wägen müssen. Dann lenkt sie Geld dahin, wo es den größten Nutzen stiftet, nicht wo der Lauteste es fordert. Dann arbeitet sie an der Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger und entlastet Straßen durch Bahn oder Schiff. Dann vermeidet sie Staus öfter als bisher mit intelligenter Verkehrstechnik.

Die Mautdebatte vernebelt nur.

© SZ vom 06.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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