Daten-CD aus Luxemburg:Steuerhinterziehern geht es an den Kragen

Lesezeit: 3 min

Deutsche Steuerhinterzieher müssen wieder zittern: Die Steuerfahndung in Nordhrein-Westfalen ist im Besitz einer CD mit 3000 Datensätzen deutscher Kunden der Luxemburger Bank HSBC. Ein Unbekannter spielte der Steuerfahndung den Datenträger zu - im Gegenzug erhielt er drei Millionen Euro. In ganz Deutschland nehmen die Ermittler nun ihre Arbeit auf.

Hans Leyendecker

Die Scheibe hat einen Durchmesser von zwölf Zentimetern und ist 1,2 Millimeter dick. Sie sieht so unauffällig aus wie die anderen Compact Discs, die in den Tresoren der Oberfinanzdirektion Rheinland und des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung in Wuppertal Barmen lagern. Diesmal geht es nicht - wie in anderen Fällen, die in den vergangenen Jahren von den Wuppertaler Steuerfüchsen bearbeitet wurden - um Steuerhinterzieher, die ihr Geld in die Schweiz oder nach Liechtenstein gebracht hatten. Nein, auf der neuen CD stehen etwa 3000 Datensätze deutscher Kunden der HSBC Luxemburg.

Das Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen bestätigte nun erste Meldungen, nach denen die Behörden eine CD aus Luxemburg mit Daten deutscher Steuerflüchtlinge gekauft habe. (Foto: dpa)

Luxemburg? Für den Leiter der Wuppertaler Steuerfahndung, den in Finanzkreisen legendären Peter B., ist der Zwergstaat vertrautes Gelände. Als er noch zweiter Mann bei der Steuerfahndung in Düsseldorf war, also vor anderthalb Jahrzehnten, hat er den Durchbruch in dem so genannten Luxemburg-Verfahren gegen Kunden und Mitarbeiter der Dresdner Bank geschafft.

Die Sache mit der neuen CD lief offenbar nach dem üblichen Muster ab. Ein Unbekannter meldete sich bei deutschen Steuerbehörden und bot das Material an. Das soll vor etwa einem Jahr gewesen sein. Die Wuppertaler machten das, was sie auch in den Fällen der Liechtensteiner Fürstenbank LGT und der Schweizer Credit Suisse gemacht hatten: Sie ließen sich von dem CD-Beschaffer erst einmal Proben von Leuten geben, die in Nordrhein-Westfalen wohnen. Sie prüften Namen, Anschriften und Steuererklärungen. Die "Verprobung" sei "gut gewesen", sagt ein Insider. Das heißt: Die meisten der Überprüften hatten das Geld in Luxemburg verschwiegen.

Der normale Satz von drei Millionen Euro

Das Weitere war Routine. Der Lieferant wollte Geld, rund drei Millionen Euro. Das ist der normale Satz. Der Liechtensteiner Heinrich Kieber, der mit seinen DVDs die Steuerfestung sprengte, hatte von den deutschen Behörden 4,2 Millionen Euro erhalten. Zuvor war der pauschale Satz von zehn Prozent Steuern für diese Information abgezogen worden. Im Fall der Daten der Kunden der Schweizer Bank Credit Suisse sollen 2,5 Millionen Euro gezahlt worden sein.

Fachleute des Düsseldorfer Finanzministeriums berieten sich mit den Kollegen vom Bund, dann kaufte Nordrhein-Westfalen in Abstimmung mit der Bundesregierung die CD. Und Peter B. stellte mit Steuerfahndern aus NRW eine neue Sonderkommission zusammen. Den Bundesländern wurden die Daten zur Auswertung zur Verfügung gestellt.

Natürlich erwachsen aus 3000 Datensätzen keine 3000 neuen Fälle; in der Regel führt nur jede dritte Prüfung zu einem Strafverfahren. Manches ist verjährt, manchmal sind die Hinterzieher gestorben, und es gibt immer wieder Kunden, die das im Ausland angelegte Geld tatsächlich beim deutschen Fiskus angegeben haben. Nach einer ersten groben Schätzung gehen die Experten diesmal von rund 1200 Verfahren aus, die in den nächsten Wochen und Monaten abgewickelt werden.

Traditionell sind die meisten dieser Fälle in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern angesiedelt. Nordrhein-Westfalen, das größte deutsche Bundesland, wird diesmal wohl ganz vorne sein. Das war in den Liechtensteiner und den Schweizer Steuerfällen noch anders. Aus dem Osten stammen gewöhnlich nur ganz wenige der ertappten Steuersünder. Rheinland-Pfalz soll diesmal wegen der unmittelbaren Nähe zu dem Zwergstaat überproportional vertreten sein.

Vermutlich haben fast alle Kunden, die jetzt ins Visier der Ermittler geraten sind, das Geld in Luxemburg persönlich abgeliefert. Die verdächtigen Summen sollen deutlich geringer sein als beispielsweise in den Liechtensteiner Fällen. Bislang wurde unter den Verdächtigen auch noch kein prominenter Name entdeckt.

Die strafrechtlichen Ermittlungen in diesem Fall werden wieder von den Spezialisten der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Bochum betrieben. Nach und nach werden dann andere Staatsanwaltschaften einbezogen werden. Bereits Anfang des Jahres hatten die Steuerfahnder die Bochumer über die neue CD informiert. Traditionell sind die Leute um Peter B. und die Bochumer Strafverfolger ein Team, die Fahnder und die Strafverfolger kennen sich in Großverfahren aus. Wegen einer Personalie hatte es einmal Verstimmungen gegeben, mit dem Credit-Suisse-Verfahren wurde deshalb die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft betraut. Jetzt ist das Team wieder beisammen.

Beginn der Ermittlungen früher als geplant

Auch bei so viel Erfahrung kann Hektik aufkommen, so wie am Donnerstag dieser Woche. Plötzlich waren erste Meldungen über die Luxemburger CD auf dem Markt. Eigentlich sollten die Durchsuchungen erst Anfang November beginnen. Dann entschieden sich die Bochumer am Freitagmorgen, bei einigen der Verdächtigen sofort mit den Ermittlungen zu beginnen, damit keine Unterlagen vernichtet werden konnten.

Etwas überraschend kommt die Entwicklung nicht nur für die Heimgesuchten. Der Bochumer Oberstaatsanwalt Gerrit Gabriel, der die strafrechtlichen Ermittlungen leitet, hatte am Freitagmittag einen Termin beim Zahnarzt. Eine Wurzelbehandlung. Die duldete dann, ebenso wie die Durchsuchungen, keinen Aufschub mehr.

© SZ vom 15.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: