Wahl in Dänemark:Unklare Verhältnisse

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Mette Frederiksen bei einem Interview nach der Stimmabgabe. (Foto: IMAGO/Johan Nilsson/TT/IMAGO/TT)

Die Dänen haben gewählt - und dafür gesorgt, dass das Mitte-Links-Bündnis unter Führung von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen die Mehrheit verfehlt. Alles deutet auf schwierige Koalitionsverhandlungen hin.

Von Alex Rühle, Stockholm

Klar in Dänemark war vorher nur, dass alles recht unklar ist. Daran hat sich auch nach dem Wahlabend nicht viel geändert. Ersten Hochrechnungen zufolge werden zwölf Parteien im neu gewählten dänischen Parlament vertreten sein - der bisherige Rekord waren elf Parteien im Jahr 1977. Dazu kommen je zwei Abgeordnete aus Grönland und den Faröer-Inseln. Und Lars Løkke Rasmussen, der zweimalige Ex-Premier, wird wahrscheinlich der Königsmacher, als der er vorab immer wieder tituliert worden war. Aber was das für die Regierungsbildung bedeutet?

Die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen bleiben mit rund 27 Prozent stärkste Kraft, zweitstärkste Partei wurde die bürgerliche Venstre, die auf 13,5 Prozent kam.

Bisher unterteilte sich die dänische Parteienlandschaft in ein rotes Mitte-Links-Bündnis unter Führung der Sozialdemokraten und ein blaues Mitte-Rechts-Bündnis. Das rote Lager kommt letzten Hochrechnungen des Senders DR zufolge nur auf 81 der insgesamt 179 Sitze im Parlament, der blaue Block um Venstre-Chef Jakob Ellemann-Jensen auf 78. Für eine Mehrheit im Floketinget werden 90 Sitze benötigt.

Lars Løkke Rasmussen, der Ex-Premier und ehemalige Anführer der liberal-konservativen Venstre-Partei, hat seine erst im Juni gegründeten Moderaten zwischen diese beiden Blöcke positioniert - und sich im Wahlkampf nur darauf festgelegt, sich nicht vorab festlegen zu wollen. In den TV-Debatten gab er sich als pragmatischer Mann der Mitte, der sich über das verkrustete Rechts-Links-Denken hinwegsetzen wolle. Die Rechnung ging für ihn auf, er holte laut ersten Hochrechnungen über neun Prozent der Stimmen, was 17 Sitzen entspricht. Damit ist er nun tatsächlich der "kongemager", also "Königsmacher", als der er vorab apostrophiert wurde.

Lars Lokke Rasmussen, früherer Premier von Dänemark, gab sich als pragmatischer Mann der Mitte. (Foto: IMAGO/Thibault Savary / Le Pictorium/IMAGO/Le Pictorium)

Frederiksen konnte nicht anders als Neuwahlen auszurufen

Die bisherige Regierungschefin Mette Frederiksen hatte sich ebenfalls für eine breite, blockübergreifende Regierungsbildung offen gezeigt. Sie betonte mehrfach vor der Wahl, die politische Weltlage sei derart verfahren, dass es an der Zeit sei, eine neue Regierungsform auszuprobieren.

Frederiksen führte in den vergangenen dreieinhalb Jahre eine Minderheitsregierung, bei der sie und die Sozialdemokraten sich meist auf andere linke Parteien stützen konnte. Sie kooperierte aber auch immer wieder mit den Konservativen, insbesondere, wenn es um neue Verschärfungen in der Migrationspolitik ging.

Frederiksen hat Dänemark zunächst souverän durch die Pandemie geführt. Das Blatt wendete sich allerdings, als sich im November 2020 herausstellte, dass das Coronavirus in den Körpern von Zuchtnerzen mutiert war. Die Ministerpräsidentin ordnete kurzerhand die Tötung aller 15 Millionen dänischen Nerze an. Dafür aber gab es keine rechtliche Grundlage. Eine Untersuchungskommission stellte der Regierung nach 600 Tagen Arbeit und über 70 Anhörungen ein derart verheerendes Zeugnis aus, dass Frederiksen gar nichts anders übrig blieb als Anfang Oktober Neuwahlen auszurufen. Eine der Koalitionsparteien hatte damit gedroht, ihrer Minderheitsregierung die Unterstützung zu entziehen.

Acht bis zwölf mögliche Koalitionsszenarios haben Politikanalytiker vor dieser Wahl durchgespielt. Dass das offizielle Endergebnis vermutlich erst am Donnerstag veröffentlicht wird - die Auszählung im extrem dünn besiedelten Grönland dauert erfahrungsgemäß etwas länger - fällt kaum ins Gewicht: Die Koalitionsverhandlungen dürften sich so schwierig gestalten, dass eine neue Regierung erst im Winter entsteht.

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