Als die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen im Juni verkündete, sie wolle aus Gründen der "besseren Krisenfestigkeit" ein breites Mittebündnis, eine sogenannte Große Koalition, bilden, da hielten das viele für reine Wahlkampfrhetorik.
Sie hat Wort gehalten: Die alte und neue Ministerpräsidentin hat am Dienstagabend der dänischen Königin Margrethe II. mitgeteilt, dass die neue Regierung aus ihren Sozialdemokraten und der liberal-konservativen Partei Venstre sowie den liberalen Moderaten bestehen werde.
Damit erhält Dänemark, das eine Tradition der Minderheitsregierungen hat, zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten eine Regierung mit eigener Parlamentsmehrheit. Vor allem aber dürfte damit die starre Blockstruktur, die die dänische Politik über Jahrzehnte geprägt hat - auf der linken Seite das sogenannte rote, rechts das konservative blaue Lager - Geschichte sein.
An diese Regierung muss sich das Land erst noch gewöhnen
Die Zeitung Politiken nannte die Regierungsbildung "historisch": Niemand habe daran geglaubt, nun müsse sich Dänemark erst einmal "gewöhnen" an diese Regierung "zwischen den beiden Erzfeinden": den Sozialdemokraten und der liberalen Venstre-Partei.
Am Mittwoch stellten Frederiksen und ihre Partner das Regierungsprogramm vor. Unter anderem sollen die Spitzensteuersätze teilweise gesenkt und dem angespannten Arbeitsmarkt neue Arbeitskräfte zugeführt werden. Das Ziel der Klimaneutralität wird vorgezogen von 2050 auf 2045. Für die Erhöhung der Verteidigungsausgaben wird ein Feiertag gestrichen. Die bürgerliche Zeitung Berlingske schreibt von einem "Reformprogramm, wie es das seit vielen Jahren nicht mehr gegeben hat".
Dass die Sozialdemokraten die neue Regierung anführen würden, war klar, sie haben mit 27,5 Prozent der Stimmen 50 der 179 Sitze im Folketing gewinnen können. Für die einst mächtige liberal-konservative Partei Venstre war es hingegen eine schwere Entscheidung: in die Opposition, um zu alter Kraft zurückzufinden? Oder als Juniorpartner zwar in eine Regierung, aber auf die Gefahr hin, das eigene Profil noch weiter zu verwässern? Venstre war in den vergangenen 20 Jahren immer wieder stärkste Kraft, bei der Wahl im November rutschte die Partei um Jakob Ellemann-Jensen aber auf 13,3 Prozent ab.
Vorher hatten zwei der bekanntesten Gesichter die Partei verlassen und eigene Parteien gegründet: Inger Stojberg die Dänendemokraten, die nach dem Rezept der erfolgreichen Schwedendemokraten mit rechtspopulistischen Slogans auf Stimmenfang gingen. Und Lars Løkke Rasmussen, der ehemalige Venstre-Vorsitzende und Ministerpräsident von 2009 bis 2011, die Moderaten. Er trommelte von Anfang an für eine Koalition über die alten Blockgrenzen hinweg. Seine Taktik, sich als Stimme der Mitte zu positionieren, zahlte sich aus, die Moderaten kamen aus dem Stand auf 16 Sitze.
In der Koalition herrscht nun eine knifflige Rivalität
Rasmussen lässt sich nun von seinen Anhängern als geistiger Vater der für Dänemark geradezu revolutionären neuen Koalition feiern. Koalitionsintern gibt es nun eine knifflige Doppelrivalität: Mit Ellemann-Jensen und Rasmussen sitzen der ehemalige und der aktuelle liberale Vorsitzende in der Regierung; außerdem ist Rasmussen Vorgänger der aktuellen Premierministerin.
Bis kurz vor Schluss saßen auch zwei Parteien aus dem linken Lager bei den Regierungsverhandlungen mit am Tisch. Sowohl die Sozialistische Folkeparti als auch die sozialliberale Radikale Venstre zogen sich aber am Ende mit dem Argument zurück, die klimapolitischen Pläne der anderen Parteien seien zu wenig ambitioniert.
Am Donnerstag soll das Kabinett vorgestellt werden. Dänemark braucht Reformen auf dem Arbeitsmarkt, das Gesundheitssystem ist in Schieflage und dann ist da noch die internationale Großkrisenlage aus Inflation, Ukrainekrieg und energiepolitischer Unsicherheit. Frederiksen kündigte am Mittwoch "ein neues Gleichgewicht" in der dänischen Politik an und versprach zugleich "eine Million Neuigkeiten, die Sie alle überraschen werden".