CSU und Europa:Die Tarnkappen der CSU

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Die Christsozialen fordern mehr Demokratie in der EU, in Wahrheit aber betreiben sie Populismus - und sollten aufpassen, in der globalen Krise nicht zu provinziell auszusehen.

Stefan Braun

Man muss die CSU erst mal loben. Das kommt nicht so häufig vor, umso bemerkenswerter ist es. Bislang ist sie die einzige Partei, die den Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts zum EU-Verfassungsvertrag ernst zu nehmen scheint. So ernst jedenfalls, dass sie das Urteil nutzen möchte, um eine Debatte über die Kompetenzen der Europäischen Union zu erzwingen.

Unsicherer als sie sich geben? CSU-Chef Horst Seehofer und Chef der CSU-Europagruppe Markus Ferber. (Foto: Foto: dpa)

Sie will, das immerhin behauptet sie, eine Diskussion über die Beteiligung der nationalen Parlamente führen, sie will dem Bundestag mehr Rechte geben und die deutschen Beiträge für die EU demokratischer machen. Dagegen ist nichts einzuwenden, erst recht nicht im Wahlkampf.

Die EU entscheidet schon heute in vielen Bereichen der Politik und damit des Lebens der Bürger Europas. Gleichzeitig leidet sie seit langem unter einem demokratischen Defizit. Die Kommissare stoßen politische Prozesse an und verfügen dabei über eine sehr geringe demokratische Legitimation. Sie bereiten Verordnungen und Richtlinien vor, die von den Räten aus den nationalen Fachministern und dem Europaparlament beschlossen werden.

Diese Prozesse werden von den nationalen Parlamenten begleitet - in der Theorie. Meist jedoch werden die Brüsseler Entscheidungen nur noch abgenickt. Eine Prüfung oder gar eine Zurückweisung ist selten. Wann, wenn nicht im Bundestagswahlkampf, sollte über diese Fehlentwicklungen gesprochen und gestritten werden. Die CSU hat recht, wenn sie das einfordert.

Das gilt umso mehr beim Blick auf die Reaktionen der anderen Parteien nach dem Karlsruher Urteil. Insbesondere CDU und SPD beschränkten sich darauf, eine schnelle Lösung zu versprechen. Besonders wichtig ist ihnen der Zeitplan, der mit Schlussabstimmungen Anfang September endet. Ihre Botschaft: Wir lösen das Problem der Demokratiedefizite überparteilich und flott; Hauptsache, wir schaffen es in dieser Legislaturperiode. Das ist eindeutig zu wenig.

Gemessen an CDU und SPD möchte sich die CSU redlich geben, doch wird auch sie zunehmend unglaubwürdig. Sie ist stets mit dabei gewesen, als Bundestag und Bundesrat in der Vergangenheit Entscheidungen aus Brüssel mehr abgenickt als geprüft haben. Sie unterhält über das Vehikel Staatsregierung einen gewaltigen Beobachtungsposten in Brüssel. Und sie hat ihre neue Galionsfigur, den Kläger gegen den Vertrag von Lissabon Peter Gauweiler, in der Vergangenheit nicht etwa unterstützt, sondern gemieden und als Problem eingestuft. Nun wirft sie sich an seine Seite, sie tut so, als sei sie immer schon dabei gewesen. Das ist peinlich. So reagiert nur eine Partei, die unsicherer ist als sie sich eingesteht.

Bezeichnend ist, was die CSU nun fordert. Die Partei möchte, dass vor jeder Entscheidung der Bundesregierung in Brüssel der Bundestag gefragt wird und entscheidet. Das ist nicht nur unpraktikabel, wenn in schweren Verhandlungen der 27 Regierungen Kompromisse gemacht werden müssen. Wird die Regierung allein zur Überbringerin von Parlamentsbeschlüssen degradiert, dann würde sie das auf unverantwortliche Weise handlungsunfähig machen.

Es ist richtig, dass der Bundestag mehr Mitspracherecht bekommen soll. Die Regierung muss lernen, dass ihr Handlungsspielraum nicht unbegrenzt ist. Aber es ist falsch, wenn die CSU das nutzen möchte, um der Regierung künftig alle Hände zu binden. Das nährt den Verdacht, dass sie nichts verbessern will, sondern lediglich eine dumpfe Anti-EU-Stimmung für sich nutzen möchte.

Man kann die EU mit dem Ruf nach mehr Demokratie stärken, man kann die Kritik aber auch als Tarnung benutzen, um die EU zu diskreditieren. Bleibt die CSU in der Frage so vage wie bisher, dann kann sie sehr schnell sehr provinziell aussehen in Zeiten gigantischer globaler Krisen. Auch das freilich wäre eine Botschaft für den Bundestagswahlkampf.

© SZ vom 06.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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