Eigentlich hatten zum 1. März alle Schulen wieder öffnen sollen. Das war ein Wunsch vieler Bezirkshauptleute in Tschechien gewesen. Nun schließen am 1. März auch alle Klassen, die noch offen waren: die kleineren Grundschulklassen und auch alle Kindergärten. Der Notstand in Tschechien, um den sich die Minderheitsregierung von Premier Andrej Babiš mit der Opposition zuletzt harte Kämpfe geliefert hatte, wurde erneut bis Ende März verlängert.
Statt sinkender Corona-Infektionszahlen verzeichnet das Land stetig steigende: Im Durchschnitt liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei 759. Schuld daran ist wesentlich die britische Virusmutante. Im am meisten belasteten Landkreis Tachov lag die Zahl am Sonntag bei 1802 Infizierten pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Das Spiel sei verloren, sagte der Mathematiker René Levínský im tschechischen Radio. Gesundheitsminister Jan Blatný sagte für die nächsten Tage bis zu 20 000 tägliche Neuinfektionen voraus.
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Einer Umfrage zufolge sind 43 Prozent der Befragten für eine Lockerung der geltenden Maßnahmen, 17 Prozent sogar für eine komplette Rückkehr zur Normalität. Bundesregierung verschärft Einreiseregeln für französische Grenzregion Moselle.
Sollen die Fabriken schließen? 37 Prozent der Arbeitnehmer sind dort beschäftigt
Von diesem Montag an dürfen die Bürger nicht mehr ihre Landkreise verlassen; auch in Tschechien wird nun eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken eingeführt für alle Orte, an denen viele Menschen zusammenkommen, wie beim Einkaufen oder am Arbeitsplatz. Kontakte sind weitgehend verboten, auch Besuche unter Verwandten nur in Notfällen erlaubt. Doch das werde alles nichts helfen, wenn nicht auch die Fabriken schließen, sagte Mathematiker Levínský.
Immerhin müssen die Fabriken nun ihre Mitarbeiter vom 5. März an regelmäßig verpflichtend testen. Der sozialdemokratische Innenminister Jan Hamáček, welcher der kleinen Koalitionspartei in der Regierung angehört, forderte ebenfalls Fabrikschließungen. Wirtschaftsminister und Industrieverband sind jedoch strikt dagegen. Laut dem Soziologen Daniel Prokop, der mit seinem Projekt "Leben in der Pandemie" die Krise in Zahlen und Daten erfasst, arbeiten 37 Prozent der tschechischen Arbeitnehmer in Industrie und Fertigung. Die meisten Menschen infizierten sich in der Arbeit, warnt er mit seinem Team bereits seit Monaten.
Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang auch der Vorwurf auf, dass Premier Babiš als Gründer der Agrofert-Holding selbst kein Interesse an Fabrikschließungen habe. Auch der Umstand, dass selbst jetzt, mit den verschärften Maßnahmen weiterhin Blumenläden geöffnet bleiben dürfen, wird in sozialen Netzwerken damit erklärt, dass Agrofert auch Blumen liefert. Der Premier bestreitet vehement, noch Eigentümer oder entscheidungsberechtigter Nutznießer der Agrofert-Firmen zu sein. Die EU-Kommission sieht das anders.
"Ich weiß, dass die Leute das nicht hören wollen, aber wir müssen uns bewusst machen, dass unser Land vom Export abhängig ist", erklärte Jaroslav Hanák, Vorsitzender des Industrie- und Transportverbandes. Er warnte, wenn nicht auch in den umliegenden Ländern die Fabriken stillstünden, würden tschechische Zulieferer schnell ersetzt werden. Befürworter der Schließungen wie Mathematiker Levínský lassen sich davon nicht beeindrucken, vor einem Jahr, als die Pandemie begann, habe das auch funktioniert. Hanák hingegen sieht nur einen Ausweg aus der Krise: Impfen.
Deutschland will 15 000 Impfdosen abgeben
Damit rennt er bei Babiš und Präsident Miloš Zeman offene Türen ein. Beide sind bereits komplett mit Biontech-Pfizer geimpft und sprechen sich auch für den russischen Impfstoff Sputnik V aus. Er habe sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf eine Lieferung geeinigt, sagte Zeman am Wochenende. Eine Zulassung durch die tschechische Behörde sei aus seiner Sicht ausreichend. "Bis September wird ein großer Teil der Bevölkerung geimpft sein", sagte Zeman am Sonntag. Zuletzt hatte Tschechien die EU-Länder gebeten, Impfstoffe auszuleihen. Nachdem Frankreich 100 000 Dosen bis Mitte März versprochen hatte, sagten nun auch Sachsen, Thüringen und Bayern insgesamt 15 000 Dosen zu, die laut tschechischen Medien bereits am Montagnachmittag in den Kreisen Cheb, Sokolov und Karlsbad eintreffen sollten.