Notfallversorgung:Berliner Messe wird zur Ad-hoc-Klinik umgebaut

Lesezeit: 3 min

Die Ruhe vor dem Aufbau: In der Messe Berlin soll demnächst eines der größten Covid-19-Krankenhäuser der Republik eröffnen. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)
  • Berlin will gemeinsam mit Krankenhäusern, der Bundeswehr und anderen Partnern 1000 zusätzliche Betten für Coronavirus-Infizierte einrichten.
  • Die Messe Berlin hat dafür dem Land die Halle 26 abgetreten.
  • Der Projektleiter zeigt sich optimistisch, das neue Krankenhaus innerhalb weniger Tage aufbauen zu können: "Die Kunst wird sein, viele Dinge zusammenzubringen, die nicht zueinander passen."

Von Jan Heidtmann

Eigentlich hätte hier im Schatten des Funkturms bis zur vergangenen Woche die weltgrößte Reisemesse, die ITB, stattfinden sollen. Doch dann kam das Coronavirus dazwischen und es herrscht jetzt eine bleierne Ruhe auf dem Messegelände in Berlin-Charlottenburg. Nur ein paar Mitarbeiter eines Speditionsunternehmens direkt neben dem Gelände rauchen vor der Bürotür eine Zigarette - schwer vorzustellen, dass hier demnächst eines der größten Covid-19-Krankenhäuser der Republik eröffnen soll.

An diesem Mittwoch hatte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) erklärt, dass der Senat gemeinsam mit den Berliner Krankenhäusern, der Bundeswehr und anderen Partnern an dieser Stelle 1000 zusätzliche Betten für die Infizierten der Hauptstadt einrichten will. Die Messe Berlin hat dafür dem Land die Halle 26 abgetreten, ein recht tristes Gebäude aus weißem Wellblech. Aber offenbar der Ort in Berlin, an dem "das am schnellsten machbar sein dürfte", wie Projektleiter Albrecht Broemme sagt.

Bis zum Beginn der Corona-Epidemie gab es in Berlin rund 1000 Plätze mit Beatmungstechnik. Da Covid-19 zu schweren Lungenleiden führen kann, sollen in den vorhandenen Kliniken der Stadt 1000 weitere solcher Plätze geschaffen werden. Auch die Betten am Messegelände könnten möglicherweise mit der Technik ausgestattet werden. Vorerst ist die neue Klinik jedoch nicht als Intensivstation konzipiert, vielmehr sollen ältere alleinstehende Menschen hier versorgt werden.

Die sogenannte Ad-hoc-Klinik ist Teil des Notfallplans für die Krankenhäuser, auf den sich Bund und Länder Mitte der Woche geeinigt haben. Dazu gehört, dass größere Hallen und Reha-Einrichtungen so umgerüstet werden sollen, dass dort Patienten mit leichteren Erkrankungen aufgenommen werden können. Auch Hoteliers, deren Häuser wegen der Corona-Krise leer stehen, haben sich schon angeboten. Zusätzlich soll die Zahl der Betten in den Intensivstationen der Kliniken verdoppelt werden. Nach Auskunft von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gibt es in Deutschland derzeit 28 000 Plätze für Intensivpatienten, 25 000 davon mit der Möglichkeit, Erkrankte künstlich zu beatmen. Im föderalen System Deutschlands sind die Bundesländer für die Krankenhäuser zuständig.

Die Halle 26 auf dem Berliner Messegelände war schon einmal im Notfalleinsatz: 2015 wurde hier eine erste Anlaufstelle für Flüchtlinge eingerichtet. Bevor jetzt richtig an der neuen Klinik gearbeitet werden kann, müssten erst mal die Partner koordiniert und Kosten berechnet werden, sagt Projektleiter Broemme. Bis Montag will er den Plan dafür fertig haben. Ähnlich dem Messegelände ist auch der 66-Jährige reaktiviert worden. Broemme hat mehr als 20 Jahre die Berliner Feuerwehr geleitet, 2006 wurde er zum Chef des Technischen Hilfswerks berufen, seit Anfang des Jahres ist er eigentlich in Pension. Nun hilft er als One-Dollar-Man. "Ich mache das ehrenamtlich, als engagierter Pensionär", sagte er in einem Interview mit dem Sender rbb.

Broemme will sich nicht auf einen fixen Termin festlegen, an dem das Krankenhaus eröffnet werden soll. In China hätten sie dafür zwei Wochen benötigt. "Das ist ein wahnsinniger Ansporn", sagt er. "Das Ganze soll nicht irgendwann fertig sein, sondern ich stehe unter einem hohen Erwartungsdruck." Er zeigt sich optimistisch, das neue Krankenhaus innerhalb weniger Tage aufbauen zu können. "Die Kunst wird sein, viele Dinge zusammenzubringen, die nicht zueinander passen", meint Broemme. Da ist zum Beispiel die genaue Rolle der zahlreichen Unternehmen, die ihre Unterstützung anbieten. Hinzu kommt die Bundeswehr, der Senat hat das Militär um Amtshilfe gebeten. "Know-how brauchen wir", sagt Broemme. "Und das medizinische Personal können wir nicht von Praxen und Krankenhäusern abziehen." Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärte, dass die Bundeswehr bereitstehe, um das zivile Gesundheitssystem zu stützen. So liefert das Militär Krankenhäusern in Rheinland-Pfalz bereits 400 Feldbetten. Generell könne die Bundeswehr aber vor allem durch Einsätze "von helfenden Händen" unterstützen.

Bei der Suche nach Ärzten und Pflegern für die Klinik setzt der Senat auch auf die Solidarität der Berliner. Dafür sollen Ruheständler sowie Studenten gewonnen werden. Am Donnerstag richtete auch die Berliner Krankenhausgesellschaft einen dringenden Appell an die Einwohner. "Wir rufen alle Berlinerinnen und Berliner mit einer medizinischen Ausbildung auf, sich an Einrichtungen, die zu ihrem Qualifikationsprofil passen, zu wenden", schreibt die Gesellschaft. Gesundheitssenatorin Kalayci glaubt, dass sich die Berliner solidarisch zeigen werden. Schon jetzt würden "sich viele pensionierte Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und Studierende melden und sagen, wir würden bei einem solchen Projekt mithelfen".

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: