Pandemiepolitik:Wutausbruch unter Punkt acht

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Es knirscht: RKI-Chef Lothar Wieler (rechts) rechnet offenbar mit seiner baldigen Ablösung durch Gesundheitsminister Karl Lauterbach. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Den Genesenenstatus regelt künftig wieder der Gesundheitsminister selbst - und nicht das RKI.

Von Angelika Slavik, Berlin

Es ist versteckt in Punkt acht, ein Satz wie ein bürokratisches Ungetüm. In Hinblick auf die Festlegungen zum Geimpften- und Genesenenstatus, heißt es im MPK-Beschluss, "entfalle" künftig die Delegation an das Paul-Ehrlich-Institut und an das Robert-Koch-Institut (RKI). Das klingt wie eine Nebensächlichkeit - aber in Wahrheit ist es ein Entwurf gewordener Wutausbruch.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entmachtet damit Lothar Wieler, den Chef des Robert-Koch-Instituts. Es ist der vorläufige Höhepunkt im Konflikt zwischen dem Minister und dem Präsidenten seiner in der Pandemie wichtigsten Behörde. Und es stellt sich die Frage: Wie lange kann es die Konstellation mit diesen beiden noch geben?

Konkret geht es bei der Regelung darum, dass Wieler als RKI-Chef künftig nicht mehr unmittelbar darüber entscheiden können soll, wie lange der Genesenenstatus Gültigkeit besitzt. Eine Verordnung aus dem Januar hatte das nämlich so geregelt: Wer wie lange als genesen gelte, darüber sollte das RKI auf wissenschaftlicher Grundlage entscheiden - und diese Entscheidungen sollten automatisch sofort wirksam sein. Kritiker zweifelten damals daran, dass das rechtlich so zulässig ist. In der Praxis zeigte sich schließlich aber ein ganz anderes Problem. Es lag in der Kommunikation zwischen Wieler und Lauterbach. Denn unter Wielers Verantwortung verkürzte das RKI den Genesenenstatus für diejenigen, die vor der Erkrankung ungeimpft waren, von sechs auf drei Monate - ohne dass Wieler Lauterbach über diesen Schritt informierte. Zwar hatte es zuvor Austausch auf Arbeitsebene gegeben, aber im Ministerium hatte man nicht erwartet, dass Wieler die Änderung einfach ohne weitere Ankündigung rechtsgültig machen würde. Politisch wurde daraus ein Debakel, viele Menschen in Deutschland verloren ohne Vorwarnung ihren 2-G-Status.

Wieler kommt nicht zur Pressekonferenz - wegen Terminproblemen

Zwischen Wieler und Lauterbach knirscht es seitdem gewaltig - zumal die Episode um den Genesenenstatus nicht die erste Irritation war. Im Dezember veröffentlichte das RKI kurz vor der Ministerpräsidentenkonferenz Handlungsempfehlungen, unter anderem war von sofortigen maximalen Kontaktbeschränkungen die Rede. Das passierte nur zwei Tage, nachdem der Expertenrat der Bundesregierung Empfehlungen abgegeben hatte, die als deutlich gemäßigter wahrgenommen wurden. Beim RKI sah man darin keinen Widerspruch, in der Öffentlichkeit aber entstand das Bild von einem kommunikativen Chaos. Lauterbach war wenig begeistert.

Künftig will deshalb wieder der Minister selbst per Verordnung regeln, wer wie lange als geimpft oder genesen gilt. Doch ob der Ärger zwischen dem RKI-Chef und seinem Vorgesetzten damit vorbei ist, ist fraglich. Im Umfeld des Ministers heißt es, Lauterbach sei zunehmend genervt. Im Umfeld Wielers heißt es, der RKI-Chef zeige sich von der öffentlichen Kritik angefasst, wirke zunehmend dünnhäutig und rechne mit seiner baldigen Ablösung. Beim Corona-Briefing am Freitag in der Bundespressekonferenz wird neben Lauterbach jedenfalls nicht Wieler sitzen - sondern dessen Stellvertreter im RKI. Offizieller Grund: Terminprobleme.

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